Entscheidungsstichwort (Thema)

Nähen einer beim Sportzweikampf erlittenen Bisswunde als grober Behandlungsfehler; keine Beweiserleichterung bei Verweigerung alsbaldiger Wiedereröffnung mit operativem Eingriff in das Kniegelenk durch Fußballprofi

 

Leitsatz (amtlich)

1. Schon der bloße Verdacht, dass eine beim Fußballspiel erlittene Knieverletzung durch die Zähne des Gegenspielers gerissen wurde, verbietet das Vernähen der Wunde.

2. Gleichwohl begründet der grobe Behandlungsfehler des Mannschaftsarztes ausnahmsweise keine Umkehr der Beweislast, wenn ein haftungsrechtlicher Zusammenhang zwischen dem Vernähen und dem eingetretenen Schaden äußerst unwahrscheinlich ist. Das kann dann der Fall sein, wenn der verletzte Spieler die ihm von einem anderen Arzt dringend empfohlene sofortige Wiedereröffnung der Wunde nebst Operation (Bursektomie) verweigert.

3. Zur Frage, ob es einen Berufsfußballer entlastet, wenn er die gebotene operative Intervention abgelehnt hat, weil ihn der Arbeitsvertrag mit dem Fußballverein verpflichtet, medizinische Heilbehandlungen vorher mit dem Mannschaftsarzt abzustimmen.

4. Auch im Arzthaftungsprozess sind außerhalb der Begründungsfrist nachgeschobene Berufungsrügen nur zu berücksichtigen, soweit sie das Behandlungsgeschehen betreffen, das innerhalb der Begründungsfrist wirksam Gegenstand des Rechts-mittelverfahrens geworden ist.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 253-254, 276, 278, 280, 611, 823, 831; ZPO §§ 286-287, 520

 

Verfahrensgang

LG Trier (Urteil vom 23.11.2011; Aktenzeichen 4 O 412/07)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Trier vom 23.11.2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil und der Senatsbeschluss sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, sofern die Beklagten nicht vor der Vollstreckung eine entsprechende Sicherheit leisten.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 1.450.064 EUR

(75.000 EUR Schmerzensgeld + 12.000 EUR Schmerzensgeldrente + 1.333.064 EUR bezifferter Schaden + 30.000 EUR Feststellungsantrag).

 

Gründe

Die Berufung ist aus den im Senatsbeschluss vom 27.6.2012 mitgeteilten Erwägungen, auf die der Senat ebenso Bezug nimmt wie auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, unbegründet. Was der Kläger dagegen mit Schriftsatz vom 2.8.2012 vorbringt, erfordert keine andere Sicht der Dinge.

Der Senat sieht ein der Haftung der beiden beklagten Mannschaftsärzte entgegen- stehendes Eigenverschulden des Klägers darin, dass er sich am Abend des Unfalltages den sachgemäßen Therapieempfehlungen des zur Weiterbehandlung konsultierten Arztes Stefan E. verschloss. Stefan E. hatte die Befundung und Behandlung in dem Krankenhaus übernommen, in das der Erstbeklagte (Mannschaftsarzt des Fußballvereins) den Anspruchsteller wegen der Knieverletzung überwiesen hatte.

Die Berufung wertet das anders, indem sie nochmals darauf verweist, dass der Kläger nach dem Spielervertrag verpflichtet gewesen sei, sich nur von den beiden Mannschaftsärzten behandeln zu lassen.

Das greift zu kurz, weil der Erstbeklagte den Kläger am Unfalltag deshalb in das Krankenhaus überwiesen hatte, weil die gebotene weitere Befunderhebung und die daran anknüpfende Therapie unter den äußerst beschränkten Möglichkeiten in der Mannschaftskabine des Fußballvereins nicht möglich waren. Indem der Erstbeklagte den Kläger anwies, unverzüglich das Krankenhaus aufzusuchen, wurden die dort tätigen Ärzte damit "zum verlängerten Arm" des Mannschaftsarztes.

Der Einwand des Klägers, mit Blick auf seine Verpflichtungen aus dem Spielervertrag habe er vor einer operativen Intervention gleichwohl mit dem Erstbeklagten Rücksprache nehmen wollen, ist im Ausgangspunkt nachvollziehbar. Der Anspruchsteller hat bei seiner Anhörung durch das LG jedoch selbst aufgezeigt, wie er diesen Vorbehalt noch am Abend des Unfalltages hätte ausräumen können. Der Kläger hat nämlich u.a. folgendes erklärt (Sitzungsniederschrift vom 2.11.2011 Seite 3):

"Wenn ich entsprechend aufgeklärt worden wäre, welche Folgen durch ein unterlassenes bzw. verzögertes Vorgehen gemäß dem Vorschlag des Krankenhauses mir drohen, hätte ich mich gegebenenfalls telefonisch mit Herrn Dr. M. besprochen und die erforderlichen Maßnahmen im Krankenhaus durchführen lassen".

Da die umfassende und sachgemäße Aufklärung des Klägers durch die Parteianhörung E. bewiesen ist, erschließt sich daraus, dass der Anruf beim Erstbeklagten nicht mangels Aufklärung, sondern deshalb unterblieb, weil der Kläger aus autonomen Erwägungen dem ärztlichen Rat Stefan E's entweder keinen Glauben schenkte oder diesen Rat wegen der drohenden mehrwöchigen Spielpause mit entsprechenden Prämienverlusten nicht wahrhaben wollte, indem er darauf vertraute, das Ganze werde schon irgendwie gutgehen.

Auch der Einwand, Stefan E. habe jedenfalls nicht auf das Erfordernis einer sofortigen Wundrevision mit anschließ...

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