Leitsatz (amtlich)

Für die Entscheidung über die Abänderung einer einstweiligen Anordnung ist eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts gemäß § 54 Abs. 3 FamFG nur dann gegeben, wenn es die abzuändernde einstweilige Anordnung gemäß § 50 Abs. 1 Satz 2, Satz 2, 2. Alt. FamFG erstinstanzlich erlassen hat.

Beschwerdeentscheidungen des Oberlandesgerichts nach §§ 57, 58 ff. FamFG über eine vom Familiengericht erlassene oder abgelehnte einstweilige Anordnung begründen dagegen selbst dann keine Abänderungszuständigkeit des Beschwerdegerichts nach § 54 Abs. 3 FamFG, wenn es in der Beschwerdeentscheidung erstmalig Anordnungen getroffen hat.

 

Verfahrensgang

AG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 42 F 2084/18)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerden des Jugendamts der Stadt ... und des Jugendamts des Landratsamts ... wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg vom 20.12.2018 aufgehoben.

2. Den Eltern wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie das Recht zur Antragstellung nach dem SGB VIII für das Kind ..., geboren am ..., vorläufig entzogen.

3. Im Umfang der entzogenen Rechte wird Ergänzungspflegschaft angeordnet. Zum Ergänzungspfleger wird das Jugendamt des Landratsamts ... bestellt.

4. Gerichtskosten für das Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

5. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500 EUR festgesetzt

 

Gründe

I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die elterliche Sorge für das Kind ..., geboren am ... wurde am 31.07.2018 durch das Jugendamt in Obhut genommen, nachdem dieses von der Kriminalpolizei ... darüber informiert worden war, dass gegen die Eltern von ... wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs zum Nachteil ihrer Tochter ermittelt werde.

Auf eine entsprechende Gefährdungsmitteilung des Jugendamts des Landratsamts ... vom 01.08.2018 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Freiburg das vorliegende einstweilige Anordnungsverfahren eingeleitet, die Eltern angehört und die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Freiburg 100 Js ... beigezogen. Am Verfahren wurde auch das für die Inobhutnahme des Kindes zuständige Jugendamt der Stadt ... beteiligt. Mit Beschluss vom 20.12.2018 hat das Familiengericht Freiburg den "Antrag" beider Jugendämter auf Entziehung der elterlichen Sorge zurückgewiesen und die sofortige Herausgabe des Kindes ... an seine Eltern angeordnet. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde beider Jugendämter mit dem Antrag, den Beschluss vom 20.12.2018 aufzuheben und dessen Vollziehung auszusetzen. Es bestünden konkrete Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung. Es sei erforderlich das Kind in der Pflegefamilie zu belassen, bis im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens die für eine abschließende Gefährdungseinschätzung maßgeblichen Gesichtspunkte aufgeklärt worden seien.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten erster und zweiter Instanz sowie der beigezogenen Ermittlungsakten verwiesen.

Den Beteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme zur Beschwerde der Jugendämter gegeben.

II. Die nach §§ 58 Abs. 1, 57 Satz 2 Nr. 1 FamFG statthaften, form- und fristgerecht (§§ 64, 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) eingelegten und auch im Übrigen zulässigen Beschwerden der beteiligten Jugendämter ist begründet.

1. Das Beschwerderecht des Jugendamts in einer - hier gegebenen (§ 111 Nr. 2, § 151 Nr. 1 und Nr. 3 FamFG) - Kindschaftssache ergibt sich aus § 59 Abs. 3 i.V.m. § 162 Abs. 3 Satz 2 FamFG (vgl. OLG Saarbrücken vom 16.07.2018 - 9 WF 117/17, juris Rn. 13). Es steht nur dem nach § 162 Abs. 1 Satz 1 FamFG anzuhörenden zuständigen Jugendamt zu (BGH vom 20.11.2013 - XII ZB 569/12, FamRZ 2014, 375, juris Rn. 12; OLG Frankfurt 09.08.2016 - 5 UF 169/16, FamRZ 2017, 244, juris Rn. 10; OLG Saarbrücken a.a.O.), wobei hinsichtlich der - hier relevanten - örtlichen Zuständigkeit zu beachten ist, dass eine nach § 87b Abs. 1 SGB VIII begründete Zuständigkeit nach § 87b Abs. 2 SGB VIII bis zum Abschluss des Verfahrens bestehen bleibt.

Vorliegend wurde das Verfahren durch das Jugendamt des Landratsamts ... eingeleitet, das angeregt hat, den Eltern das Sorgerecht zu entziehen. Das Jugendamt des Landsratsamts ... ist örtlich hierfür gemäß §§ 87 b Abs. 1 i. V. m. 86 Abs. 1 SGB VIII zuständig und daher das nach § 162 Abs. 1 Satz 1 FamFG anzuhörende und damit beschwerdeberechtigte Jugendamt.

Dies wird unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht dadurch in Frage gestellt, das für die Inobhutnahme gemäß §§ 87, 42 SGB VIII das Jugendamt der Stadt ... zuständig war. Zwar umfasst die Zuständigkeit zur Inobhutnahme auch diejenige für die sich einer Inobhutnahme anschließenden Aufgaben, insbesondere auch für die gemäß § 42 Abs. 3 Nr. 2 SGB VIII gebotene Herbeiführung einer Entscheidung des Familiengerichts. Dies lässt die Zuständigkeit des gemäß §§ 87 b Abs. 1 i. V. m. 86 Abs. 1 SGB VIII zur Mitwirkung im gerichtlichen Verfahren berufenen Jugendamts indes nicht entfa...

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