Leitsatz (amtlich)

1a. Der VII. Zivilsenat des BGH hat mit seinem Urteil vom 06.12.2018 (VII ZR 285/17) die Frage der Nichterstattungsfähigkeit von Vorhaltekosten für ein gewerblich genutztes (Reserve-)Fahrzeug nicht abschließend entschieden.

Denn diese Entscheidung des VII. Zivilsenats betraf im Kern nicht die Frage der Ersatzfähigkeit von Vorhaltekosten für ein gewerblich genutztes (Reserve-)Fahrzeug, sondern die Frage der Erstattungsfähigkeit einer pauschalierten, abstrakten Nutzungsausfallentschädigung für den Entzug der Gebrauchsmöglichkeit während der Beseitigung eines werkmangelbedingten Schadens eines ausschließlich gewerblich zur Erbringung von Transportleistungen dienenden Kippladers mit Kran (BGH aaO, Rn. 19, 27 ff.), obwohl es dem geschädigten Unternehmer möglich gewesen wäre, die konkret durch den Entzug der Gebrauchsmöglichkeit des beschädigten Fahrzeugs entstandene wirtschaftliche Beeinträchtigung zu beziffern (BGH aaO, Rn. 22).

1b. Die Begründung der Entscheidung des VII. Zivilsenats vom 06.12.2018 (VII ZR 285/17) lässt eine generelle Beantwortung der Frage der Erstattungsfähigkeit von Vorhaltekosten gewerblich genutzter (Reserve-) Fahrzeuge nicht erkennen, sondern betraf erkennbar einen Einzelfall (BGH aaO, Rn. 26 ff.), wobei der VII. Senat lediglich die Forderung des Geschädigten nach Nutzungsausfallentschädigung nicht mit den Vorhaltekosten des beschädigten Kippladers mit Kran für begründbar hielt (BGH aaO, Rn. 27).

Dies zeigt sich auch daran, dass sich der VII. Senat mit der im Urteil nur erwähnten (vgl. BGH aaO, Rn. 15) bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. u. a. Urteile vom 10. Mai 1960 - VI ZR 35/59; vom 13. Dezember 1965 - III ZR 62/64; vom 10. Januar 1978 - VI ZR 164/75, und vom 10. Januar 1978 - VI ZR 175/76) sowie der daraufhin ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung (beispielhaft OLG Brandenburg, Urteil vom 21. Februar 2008 - 12 U 132/07; OLG Koblenz, Urteil vom 1. September 2014 - 12 U 1136/12) inhaltlich nicht auseinandersetzt.

2. Ob Vorhaltekosten gewerblich genutzter (Reserve-) Fahrzeuge als Sowiesokosten unersetzbar sind, bleibt daher höchstrichterlich ungeklärt und ist ggf. im Streitfall aufzuklären.

 

Verfahrensgang

LG Stade (Aktenzeichen 2 O 111/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das 9. November 2018 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stade ≪2 O 111/18 ≫ einschließlich des Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Landgericht Stade zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.488,39 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht als Eisenbahnverkehrsunternehmen Schadensersatz gegen die Beklagte als Eisenbahninfrastrukturunternehmen aus einem Bahnbetriebsunfall nach dem Haftpflichtgesetz geltend.

Die Klägerin betreibt im eigenen Namen und für eigene Rechnung Personennahverkehr auf Eisenbahnstrecken in Niedersachsen, die ihr von der Beklagten gegen Entrichtung eines Nutzungsentgeltes zur Verfügung gestellt werden.

Die Klägerin mietete die hier streitigen Fahrzeuge auf Grundlage eines - erst mit der Berufungsbegründung vorgelegten - Vertrages mit der Landesnahverkehrsgesellschaft N. mbH (...) vom 9. / 18. November 2010 (Anlage BB 2 - Bl. 124 ff. d. A.). Nach § 6 Nr. 4 des vorgenannten Vertrages hat die Klägerin alle Aufwendungen zu tragen, die mit dem Betrieb und der Haltung der Fahrzeuge verbunden sind, insbesondere Versicherungsbeiträge, Steuern und Kosten, die über korrektive Instandhaltung hinausgehen, z. B. Beseitigung von Schäden durch Unfall, Vandalismus und Fehlbedienung, sowie weitere Aufwendungen zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebes der Fahrzeuge (Bl. 127 d. A.).

Die Klägerin hat im Rahmen einer vertraglich vereinbarten Betriebspflicht den öffentlichen Personennahverkehr u. a. auf der hier streitigen Strecke im Rahmen eines Fahrplans unabhängig von der Anzahl der Fahrgäste im jeweils eingesetzten Zugverband zu gewährleisten und hat hierzu neben der hierfür erforderlichen Anzahl von Zugverbänden (bestehend aus einem Triebfahrzeug, mehreren Doppelstockmittelwagen sowie einem Doppelstocksteuerwagen) zwei weitere Zugverbände als Reserve von der N. angemietet, wobei einer der in Reserve vorgehaltenen Zugverbände dazu dient, Wartungen und Revisionen an allen eingesetzten Zugverbänden im Wechsel durchzuführen, und ein Zugverband zumindest auch dazu dient, unfallbedingte Ausfälle eines Zugverbandes kompensieren zu können.

Am 4. Juli 2015 fuhr der Zugverband der Klägerin mit der Nummer 81928 auf der Strecke von Hamburg-Hauptbahnhof nach Bremen-Hauptbahnhof. Gegen 20.55 Uhr, kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof Tostedt, berührte der Stromabnehmer des führenden Triebfahrzeugs die Äste eines Baumes, die in der Oberleitung hingen. Die ...

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