Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. Repräsentativität der Datenerhebung. Einbeziehung der Daten von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern. Ermittlung angemessener Heizkosten bei zentraler Warmwasserbereitung. Erhöhung des im bundesdeutschen Heizspiegels bis 2013 allein ausgewiesenen Wertes für die Raumwärme um den Wert für die Warmwasserbereitung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Werden Daten von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern in einem ländlichen Vergleichsraum, der durch das Wohnen in solchen Gebäuden geprägt ist, nicht erhoben, liegt kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten vor.

2. Um die Repräsentativität der erhobenen Daten für ein Konzept sicherzustellen, ist der (lokale) Mietwohnungsmarkt wirklichkeitsgetreu abzubilden. Die Datenerhebung muss ihm in ihrer Zusammensetzung und in der Struktur der relevanten Merkmale möglichst ähnlich sein.

3. Eine fehlerhaft gezogene Stichprobe wird nicht durch eine größere Anzahl einbezogener Datenwerte repräsentativ.

4. Im Rahmen der Ermittlung angemessener Heizkosten bei zentraler Warmwasserbereitung ist der nach dem bundesdeutschen Heizspiegel bis 2013 allein ausgewiesene Wert für die Raumwärme um den angegebenen Wert für die Warmwasserbereitung zu erhöhen.

 

Tenor

1. Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 3. Mai 2018 wird aufgehoben, soweit der monatliche Betrag der Verurteilung 84,32 EUR übersteigt. Insoweit wird die Klage abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat der Klägerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Dabei geht es um die zu berücksichtigenden Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) für den Zeitraum von Januar bis Juni 2013.

Die 1988 geborene Klägerin und Berufungsbeklagte (im Weiteren: Klägerin) bezieht von dem Beklagten und Berufungskläger (im Weiteren: Beklagter) laufend SGB II-Leistungen. Seit 2009 bewohnte sie eine 57,33 m² große Wohnung in einem mittels Fernwärme beheizten Wohnkomplex mit einer Gesamtwohnfläche von 3.395 m² in der Lutherstadt Wittenberg. Die Warmwasserbereitung erfolgt über die Heizung. Im streitigen Zeitraum betrug die Gesamtmiete 456,99 EUR. Zur Kaltmiete von 257,99 EUR kam eine Betriebskostenvorauszahlung von 99 EUR sowie eine monatliche Heizkostenvorauszahlung von 100 EUR.

Nach Auszug des Sohns im Oktober 2011 belehrte der Beklagte die Klägerin in der Anlage zum Änderungsbescheid vom 21. November 2011 über die Unangemessenheit ihrer Aufwendungen für die KdUH und forderte sie auf, diese bis spätestens 31. Mai 2012 zu senken. Die angemessene Bruttokaltmiete (BKM) für einen Einpersonenhaushalt betrage 273,50 EUR. Für Heizkosten seien derzeit nach dem Bundesdeutschen Heizspiegel maximal 80,83 EUR zu berücksichtigen. Ab Juni 2012 berücksichtigte der Beklagte bei der Leistungsgewährung nur noch diese angemessene BKM.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 22. November 2012 bewilligte der Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. November 2012 Leistungen für den Zeitraum von Januar bis Juni 2013. Als KdUH berücksichtigte er eine BKM von 273,50 EUR und Heizkostenvorauszahlungen von 77,92 EUR (KdUH insgesamt: 351,42 EUR).

Am 3. April 2014 beantragte die Klägerin, für die seit dem 16. Mai 2013 eine Betreuerin für die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten bestellt war, die Überprüfung des Bescheids vom 28. November 2012. Mit Bescheid vom 26. November 2014 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Es seien keine neuen Tatsachen vorgebracht worden. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2015 zurück. Die Einwände gegen die Ausgangsentscheidung seien bereits bei Erlass der Erstentscheidung beachtet worden.

Dagegen hat die Klägerin am 27. Februar 2015 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) Klage erhoben und die Bewilligung weiterer Leistungen für die KdUH in Höhe der der tatsächlichen Aufwendungen, insgesamt 500,94 EUR, geltend gemacht. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg sei zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen nicht geeignet, da sie rechtsfehlerhaft sei. Das zugrundeliegende Konzept sei nicht schlüssig. Insbesondere sei die Herausnahme aller Ein- und Zweifamilienhäuser bei einer weitgehend aus solchen Gebäuden bestehenden ländlichen Siedlungsstruktur nicht nachvollziehbar. Es werde deutlich, dass "zielorientiert" bestimmte Mietwerte bei der Erhebung ausgeschlossen worden seien. Die Bildung von Vergleichsräumen und Wohnungsmarkttypen sei nicht nachvollziehbar. Daher seien die tatsächlichen Mietkosten zu berücksichtigen.

Mit Urteil vom 3. Mai 2018 hat das S...

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