Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Pflegeperson. Verabreichung von Medikamenten

 

Orientierungssatz

Die Verabreichung von Medikamenten gehört nicht zu den unter Unfallversicherungsschutz stehenden Pflegeverrichtungen, es sei denn, dass die Medikamentenverabreichung in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufnahme der Nahrung steht bzw das Medikament die Nahrungsaufnahme erst ermöglicht.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 28. November 2001 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Anerkennung und Entschädigung eines Unfalls als Arbeitsunfall.

Die 1945 geborene Klägerin pflegte ihre - inzwischen im Februar 1998 verstorbene - Mutter, die vom 09. Dezember 1997 an wegen eines fortgeschrittenen Krebsleidens (Darmkrebs mit weiteren Metastasen im Bauchraum) Leistungen nach der Pflegestufe II aus der sozialen Pflegeversicherung erhielt. Am Morgen des 19. Dezember 1997 um 7.30 Uhr war die Klägerin an ihrem Arbeitsplatz von ihrer Mutter angerufen worden. Diese hatte über starke Schmerzen geklagt und die Klägerin gebeten, Schmerzmedikamente zu besorgen und ihr zu bringen. Daraufhin rief die Klägerin die Hausärztin der Mutter ... an, die ihr die Medikamente zur Abholung bereit stellen wollte. Daraufhin holte die Klägerin die Medikamente bei der Ärztin ab, wollte sie ihrer Mutter bringen und dann anschließend wieder zur Arbeit gehen. Auf dem Weg von der Ärztin zur Mutter rutschte die Klägerin um 8.15 Uhr wegen eines plötzlich einsetzenden Eisregens aus und schlug auf eine Bordsteinkante auf. Dabei kugelte sie sich die rechte Schulter aus und zog sich Schürfwunden am rechten Knie und Hüftprellungen sowie eine Beule am Kopf zu. Im Februar 1998 wurde sie an der rechten Schulter wegen einer Bankartläsion (Abriss des Labrum glenoidale ≪Gelenklippe≫ bei vorderer Schulterluxation) und einer Rotatorenmanschettenläsion operiert.

Die Klägerin meldete den Unfall am 28. August 1998 der Beklagten und reichte dazu eine Bescheinigung der Hausärztin ... vom 17. August 1998 ein, in der diese bestätigte, die Klägerin habe am 19. Dezember 1997 einen Unfall bei der Pflegetätigkeit erlitten.

Die Beklagte zog die Unfallfragebögen der Pflegekasse (...) und das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) über die Feststellung der Voraussetzungen für die Einstufung der Mutter der Klägerin in die Pflegestufe II bei. In dem Gutachten des MDK von der Ärztin K wird ein Pflegeaufwand der Klägerin von 21 bis 28 Stunden pro Woche aufgeführt. Die Pflegebedürftige bewohne eine eigene Wohnung. Sie liege überwiegend im Bett, könne nur in kleinen Schritten und unsicher gehen und benötige personelle Unterstützung, um sich bewegen zu können. Wöchentlich einmal komme die Hausärztin zum Hausbesuch in die auf der 1. Etage liegende Wohnung. Das Essen werde ihr bereitet; sie nehme es in der Küche in mundgerechten Stücken zu sich.

Mit Bescheid vom 02. Dezember 1998 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Zwar sei die Klägerin grundsätzlich als Pflegeperson unfallversichert, jedoch nur bei den vom Gesetz benannten Pflegeverrichtungen, also Körperpflege, Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftliche Versorgung der Pflegebedürftigen. Die unfallbringende Tätigkeit, das Besorgen der Medikamente, falle nicht darunter. Diese Tätigkeit sei eine Vorstufe der Behandlungspflege, welche gemäß § 37 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) - Gesetzliche Krankenversicherung - in den Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung und nicht in den der gesetzlichen Pflegeversicherung gehöre. Ein Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) - Gesetzliche Unfallversicherung - als "Wie"-Beschäftigte" habe nicht bestanden, weil sie als Verwandte im Haushalt der Pflegebedürftigen unentgeltlich tätig und daher gemäß § 4 Abs. 4 SGB VII kraft Gesetzes versicherungsfrei gewesen sei.

In dem dagegen am 28. Dezember 1998 eingelegten Widerspruch trug die Klägerin vor, wenn schon die Begleitung des Pflegebedürftigen zum Arzt oder in das Krankenhaus unter dem Schutz der Unfallversicherung stehe, müsse doch erst recht das Holen und Bringen von Medikamenten versichert sein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 1999 wies die Beklagte den Widerspruch mit den schon im Bescheid genannten Gründen zurück und führte ergänzend aus: Zu Recht bestehe der Versicherungsschutz auf den von der Klägerin im Widerspruch aufgeführten Wegen, denn jene Verrichtungen gehörten im Gegensatz zum Holen von Medikamenten in den Pflegebereich der Mobilität ("Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung").

Mit der am 25. Mai 1999 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und vorgetragen, den Weg für die Besorgung der Medikamente habe sie für ihre Mutter zurückgelegt, die selbst hierzu gesundheitlich ...

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