Entscheidungsstichwort (Thema)

Korrektur- und Erstattungsbescheid gegenüber Erben eines Berechtigten einer Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Zweitbescheid nach vorheriger Korrektur- und Erstattungsentscheidung gegenüber dem Rentenberechtigten. Unmöglichkeit des Nachweises der groben Fahrlässigkeit des Erblassers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Zahlungstitel aus einer bestandskräftigen Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung verliert gegenüber den Erben des Rentenberechtigten seine Wirksamkeit, wenn der Träger der Rentenversicherung ein neues Verwaltungsverfahren in Gang setzt und einen an die Erben gerichteten Zweitbescheid erlässt.

2. Von einem Zweitbescheid ist dann auszugehen, wenn sich die Behörde nicht auf die Bestandskraft der vorherigen Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung beruft, sondern eine erneute Sachprüfung durchführt. Indizien dafür können sein, dass sie ein neues Anhörungsverfahren durchführt, neue Ermessensaspekte erwägt und neue Rechtsmittelfristen in Gang setzt (vgl BSG vom 7.4.2016 - B 5 R 26/15 R = SozR 4-2600 § 89 Nr 3).

3. Der Umstand des Todes und die damit einhergehende Unmöglichkeit des Nachweises der groben Fahrlässigkeit des Erblassers iS von § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X kann nicht zulasten des Rechtsnachfolgers gehen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid vom 17. Juni 2015 und der Bescheid der Beklagten vom 5. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2012 aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 5.304,69 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer teilweisen Aufhebung und Erstattung einer Hinterbliebenenrente gegenüber der Erbin des Rentenberechtigten.

Die Klägerin ist die Tochter der 1924 geborenen und 1999 verstorbenen M. H. (nachfolgend: Versicherte) und des 1922 geborenen und 2009 verstorbenen P. H. (nachfolgend: Rentenberechtigter). Der Rentenberechtigte bezog neben der Rente wegen Alters seit 1975 eine Übergangsrente aus der Sozialversicherung der DDR, die später ab 1992 von der Land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (LBG) Hoppegarten als Unfallrente geleistet wurde.

Am 25. August 1999 beantragte der Rentenberechtigte bei der Beklagten eine Witwerrente wegen des Todes seiner Ehefrau, der Versicherten.

Mit Bescheid vom 10. Dezember 1999 gewährte die Beklagte dem Rentenberechtigten eine große Witwerrente für die Zeit ab dem 1. September 1999. Die Rente wurde "um das anzurechnende Einkommen" in Höhe von monatlich 312,95 DM gemindert. Auf Seite 3 des Bescheides vom 10. Dezember 1999 wies die Beklagte den Rentenberechtigten auf dessen Mitteilungspflichten hin. Dabei heißt es: " Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen können Einfluß auf die Rentenhöhe haben. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns den Bezug, das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen [ ] unverzüglich mitzuteilen. Erwerbsersatzeinkommen sind, auch als Kapitalleistung oder Abfindung, folgende Leistungen: [ ] Rente an Versicherte aus der gesetzlichen Unfallversicherung ". In dem beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten sind dazu nur die Meldung zur Krankenversicherung und der Rentenbescheid, nicht jedoch der vom Rentenberechtigten gestellte Antrag auf Witwerrente vom 25. August 1999 enthalten.

Auf die jährliche Überprüfung berechnete die Beklagte die Rente des Rentenberechtigten mit Bescheid vom 18. Juni 2006 neu. Laut der Anlage 1 des Bescheides berücksichtigte die Beklagte ein Einkommen des Rentenberechtigten in Höhe von monatlich insgesamt 164,05 Euro. Im Rahmen einer jährlichen Überprüfung im Jahr 2007 machte der Rentenberechtigte unter dem 14. Dezember 2007 in einer "Anlage zum Antrag auf Hinterbliebenenrente" die Angabe, eine Unfallrente der LBG zu beziehen. Auf Nachfrage der Beklagten teilte die LBG der Beklagten mit Schreiben vom 22. Januar 2008 zunächst mit, der Rentenberechtigte beziehe seit dem 1. Juli 1998 eine Unfallrente. Mit Schreiben vom 4. November 2011 berichtigte die LBG den Rentenbeginn auf das Jahr 1975.

Mit Schreiben vom 28. Januar 2008 hörte die Beklagte den Rentenberechtigten zu der beabsichtigten teilweisen Aufhebung des Rentenbewilligungsbescheides vom 1. Dezember 1999 und Erstattung in Höhe von insgesamt 5.198,89 Euro an.

Mit Bescheid vom 4. März 2008 berechnete die Beklagte die große Witwerrente ab dem 1. September 1999 neu. Für die Zeit vom 1. Dezember 1999 bis zum 30. April 2008 hob sie die Bewilligungsentscheidung teilweise auf und forderte Rentenzahlungen in Höhe von insgesamt 5.304,69 Euro zurück.

Gegen diesen Bescheid erhob der vertretene Rentenberechtigte Widerspruch mit der Begründung, der Bescheid genüge nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit und Begründetheit. Jedenfalls gehe nicht hervor, wonach hier die Überzahlung zurückgefordert werde. Er habe weder bewusst noch grob fahrlässig falsche Angaben gemacht. Aufgrund seiner fe...

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