Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. kein Darlehen wegen Gasschulden. vergleichbare Notlage. Gassperrung. Ermessensausübung. Nichtausschöpfung der Selbsthilfemöglichkeit. kein unabweisbarer Bedarf

 

Orientierungssatz

1. Eine Verpflichtung des Grundsicherungsträgers im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur darlehensweisen Übernahme der Gasschulden gem § 22 Abs 8 SGB 2 kann nur bestehen, wenn er in der Hauptsache zu einer positiven Entscheidung verpflichtet wird.

2. Bei der Ermessensentscheidung kann es insbesondere darauf ankommen, ob sich der Hilfebedürftige missbräuchlich verhalten hat. Dies ist im Regelfall zu bejahen, wenn der Hilfebedürftige seine Energiekostenvorauszahlungen bewusst nicht leistet und sein Verhalten darauf schließen lässt, dass er auf eine darlehensweise Übernahme entstehender Schulden durch den Grundsicherungsträger vertraut oder gar spekuliert. In einem solchen Fall wird die Notlage gezielt zu Lasten des Grundsicherungsträgers herbeigeführt. Dies kann nicht hingenommen werden (vgl LSG Celle-Bremen vom 9.6.2010 - L 13 AS 147/10 B und LSG Mainz vom 27.12.2010 - L 3 AS 557/10 B ER = NDV-RD 2011, 82).

3. Die Ablehnung eines Darlehens zur Begleichung von Energieschulden ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Hilfebedürftige in Kenntnis der drohenden Energiesperre die ihm neben den laufenden Leistungen bewilligten und ausgezahlten Nachzahlungsbeträge nicht zur Schuldentilgung nutzt und auch eigene Forderungen auf Grund der Energielieferung gegen Dritte nicht durchzusetzen versucht.

4. § 24 Abs 1 SGB 2 umfasst nur den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und damit nicht Außenstände eines früher betriebenen Gewerbebetriebes, sonstiger Dritter oder den Bereich der Kosten der Unterkunft.

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsgegner Schulden aus einem Gaslieferungsvertrag gemäß § 22 Abs. 8 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Höhe von 9.573,57 EUR sowie die Kosten für die Wiederinbetriebsetzung nach der Versorgungssperre in Höhe von 58,31 EUR darlehensweise zu übernehmen hat.

Der Antragsteller zu 1) ist Eigentümer einer Immobilie in der. Hierbei handelt es sich um ein 337 qm großes Gebäude (mit Nebengebäuden sogar 453 qm). Nach ihren Angaben bewohnen die Antragsteller in dieser Immobilie Räumlichkeiten von einer Größe von "ca. 75 bis 85 m²". Außerdem beherbergt die Immobilie auch eine Gaststätte mit Pension, die die Antragstellerin zu 2) bis zum 30. November 2010 betrieb. Weiterhin wohnen die Mutter des Antragsstellers zu 1) sowie die beiden Söhne der Antragsteller in dieser Immobilie (nach den Angaben der Antragsteller in separaten Räumlichkeiten). Das Haus verfügt insgesamt über eine Heizungsanlage, die mit Gas befeuert wird; hierfür existiert nur ein Gaszähler. Getrennte Heizungskreisläufe für den gewerblichen und privat genutzten Teil des Gebäudes sind nicht vorhanden. Dementsprechend bestand mit dem Gasversorger - E. A. Vertrieb GmbH - auch nur ein Vertrag über die Gasversorgung mit der Antragstellerin zu 2).

Am 12. März 2008 war über das Vermögen des Antragstellers zu 1) ein vereinfachtes Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und am 23. Juni 2009 über das Vermögen der Antragstellerin zu 2) das Regelinsolvenzverfahren eröffnet worden.

Soweit anhand der Jahresabrechnung des Gasversorgers vom 22. Juni 2010 erkennbar, hatten die Antragsteller seit dem 24. Juni 2009 lediglich Abschläge in Höhe von insgesamt 585,00 EUR gezahlt. Damit ergaben sich für den Verbrauchszeitraum vom 24. Juni 2009 bis 23. März 2010 Zahlungsrückstände in Höhe von 5.079,57 EUR. Hinzu kamen im Weiteren die ebenfalls nicht gezahlten Abschläge für den Zeitraum von Juli 2010 bis November 2010 in Höhe von jeweils 885,00 EUR, Sperrversuchskosten in Höhe von 49,00 EUR sowie Mahnkosten in Höhe von 20,00 EUR. Damit ergaben sich im Dezember 2010 Forderungen in Höhe von 9.573,57 EUR. Mit Teil-Anerkenntnisurteil des Landgerichts Magdeburg vom 18. Februar 2011 wurde die Antragstellerin zu 2) verurteilt, diesen Betrag nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. Januar 2011 an den Gasversorger zu zahlen.

Die Antragsteller beziehen seit Dezember 2010 Leistungen nach dem SGB II, davon bis Mai 2011 als Bedarfsgemeinschaft mit dem am ... 1986 geborenen Sohn. Diese beliefen sich zuletzt (Juli 2011) auf monatlich 681,74 EUR; hiervon entfielen 125,36 EUR auf die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU). Die Heizkosten sind in Höhe von 1/3 der Gesamtkosten anerkannt und nach Kopfteilen berücksichtigt worden.

Mit Schreiben vom 3. März 2011 baten die Antragsteller den Antragsgegner um ein Darlehen zur Tilgung der Schulden bei ihrem Gaslieferanten. Nach ihren Angaben resultierte die hohe Forderung sowohl aus dem privaten als auch aus dem durch den Gewerbebetrieb verursachten Verbrauch. Hinzu kämen die alt...

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