Entscheidungsstichwort (Thema)

Übernahme der Kosten für eine außerordentliche Lernförderung durch einstweiligen Rechtsschutz

 

Orientierungssatz

1. Außerschulische Lernförderung ist als Mehrbedarf im Ausnahmefall vom Grundsicherungsträger zu erbringen, um eine vorübergehende Lernschwäche zu beheben. Das wesentliche Lernziel in der jeweiligen Klassenstufe ist regelmäßig die Versetzung in die nächste Klassenstufe bzw. ein ausreichendes Leistungsniveau. Ein Wechsel zu einer höheren Schulform nur mit Hilfe einer kontinuierlichen Nachhilfeleistung kann aber nicht die Grundlage für die Bewilligung einer Förderung nach § 28 Abs. 5 SGB 2 bilden.

2. An dem für die Bewilligung von einstweiligem Rechtsschutz erforderlichen Anordnungsgrund fehlt es, wenn die vermutliche Zeitdauer des Hauptsacheverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung bietet.

3. Das gilt selbst dann, wenn die vom Antragsteller für die Selbstbeschaffung der Nachhilfeleistungen eingegangenen Verbindlichkeiten sein Leistungsvermögen übersteigen. Eine Notsituation besteht solange nicht, als der Hilfebedürftige weiterhin Unterricht vom Nachhilfelehrer erhält und ein Angehöriger in der Lage und bereit ist, die laufenden Kosten aufzubringen.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. Januar 2011 wird aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Dem Antragsteller wird zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt.

 

Gründe

I.

Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg, das ihn verpflichtet hat, an den am ... 1996 geborenen Antragsteller für die Zeit vom 3. September 2010 bis zum 4. Februar 2011 vorläufig weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Nachhilfekosten in Höhe von 175 EUR monatlich zu zahlen. Der Antragsteller, der zusammen mit seinen Eltern und weiteren drei Geschwistern in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, bezieht Sozialgeld nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Er besucht die 7. Klasse der Sekundarschule "H. Ch ..." in N ... Während der Wiederholung der sechsten Klasse erhielt er am 5. Februar 2010 den Hinweis, dass aufgrund des zum Schulhalbjahr erreichten Leistungsstandes und der Entwicklung der Leistungen zu erwarten sei, dass er seine Ausbildung im auf den Hauptschulabschluss bezogenen Unterricht fortsetze.

Seit 8. Februar 2010 nahm der Antragsteller Nachhilfeunterricht in den Fächern Englisch, Deutsch und Mathematik in Anspruch. Mit Schreiben vom 17. Februar 2010 beantragte seine Mutter für ihn eine Beihilfe für den Nachhilfeunterricht, den dieser benötige, um an den Stand in der Schule anzuknüpfen. Mit Bescheid vom 6. Mai 2010 lehnte der Antragsgegner den Antrag im Wesentlichen unter Hinweis auf die Teilnahme an den schulischen Förderangeboten und die Prognose der Schule vom 12. April 2010, wonach das Leistungsdefizit nicht innerhalb von sechs Monaten regulierbar sei, ab. Den dagegen mit Schreiben vom 25. Mai 2010 eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2010 als unbegründet zurück. Um sein Ziel weiter zu verfolgen, erhob der Antragsgegner Klage beim Sozialgericht, die unter dem Aktenzeichen S 19 AS 2769/10 geführt wird.

Mit Beschluss der Klassenkonferenz wurde der Antragsteller aufgrund seines Leistungsstandes mit Beginn des Schuljahres 2010/2011 in den auf den Realschulabschluss bezogenen Unterricht eingestuft.

Am 3. September 2010 hat er beim Sozialgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm die Kosten für den Nachhilfeunterricht im Fach Englisch für sieben Doppelstunden zu je 25,00 EUR monatlich zu gewähren. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 31. Januar 2011 den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 3. September 2010 bis zum 4. Februar 2011 vorläufig weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Nachhilfekosten von monatlich 175 EUR zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe die Voraussetzungen für einen Anspruch auf die zur Deckung des Mehrbedarfes nach § 21 Abs. 6 SGB II in der ab dem 3. Juni 2010 geltenden Fassung erforderlichen Mittel glaubhaft gemacht. Bei schulpflichtigen Kindern gehörten auch die notwendigen Aufwendungen zur Erfüllung schulischer Pflichten zu ihrem existenziellen Bedarf. Dem Antragsteller sei insoweit bei Abwägung seiner Interessen an der Sicherung seines Bildungsgrundbedarfes angesichts des kurzen Zeitraums bis zu Zeugniserteilung nicht zuzumuten, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Die Interessen des Antragsgegners hätten angesichts der Gefahr, dass der Antragsteller das Klassenziel verfehle, zurückzutreten. Der Antragsteller habe einen Bedarf zur Inanspruchnahme eines Nachhilfeunterrich...

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