Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Anordnungsanspruch. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Schuldgeldzahlung des Vaters als Einkommen des Kindes. Unerheblichkeit einer vorherigen Verwendungsvereinbarung. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Mietzinsforderung eines Verwandten. Anordnungsgrund bei Vorliegen einer existenziellen Notlage. mutmaßliches Vermieterverhalten kein geeignetes Kriterium

 

Leitsatz (amtlich)

Vereinbart der nicht in der Bedarfsgemeinschaft lebende Kindsvater mit der Kindsmutter die Erfüllung seiner Unterhaltspflichten durch Übernahme der für den Schulbesuch des Kinds anfallenden Schulgeldzahlung, handelt es sich um Einkommen des leistungsberechtigten Kinds, das auf seinen Hilfebedarf anzurechnen ist. Gegen eine im Vorhinein getroffene Verwendungsvereinbarung über das zu erwartende Unterhaltseinkommen kann nicht eingewendet werden, es handele sich nicht um ein "bereites Mittel".

 

Orientierungssatz

Das mutmaßliche künftige Verhalten des Vermieters ist im Hinblick auf laufende Mietzinsforderungen kein geeignetes Kriterium für die Prüfung eines Anordnungsgrundes und zwar auch dann nicht, wenn der Vermieter mit dem Arbeitsuchenden verwandt ist. Eine existenzielle Notlage liegt bereits vor, wenn keine Bagatellbeträge geltend gemacht werden. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die begehrte vorläufige Leistungsbewilligung 5 % der Regelleistung übersteigt.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 15. August 2017 wird abgeändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern vorläufig, längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Juni 2017, weitere Leistungen i.H.v. 134 EUR/Monat für die Zeit von Juli bis Dezember 2017 zu zahlen.

Im Übrigen werden die Beschwerde des Antragsgegners sowie der Antrag der Antragsteller auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für beide Rechtszüge zu 2/3 zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) i.H.v. weiteren 220 EUR/Monat für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2017.

Die 1975 geborene Antragstellerin zu 1. bezieht mit ihren minderjährigen Kindern, den Antragstellern zu 2. bis 4., laufende Leistungen nach dem SGB II. Sie hat Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit. Für die Antragsteller zu 2. bis 4. wird Kindergeld gewährt.

Die Antragsteller bewohnen eine Wohnung in einem Zweifamilienhaus, das die Antragstellerin zu 1. und ihr mittlerweile geschiedener Ehemann und Kindsvater der Antragsteller zu 3. bis 4. S. P. gemeinsam erworben hatten. Die Mutter der Antragstellerin zu 1. hatte im Mai 2010 den Kaufpreis i.H.v. 40.000 EUR aufgebracht. Nach der Scheidung wurde durch Überlassungsvertrag mit Auflassung vom 25. August 2016 der Grundbesitz der Mutter der Antragstellerin zu 1. ohne Gegenleistung zum Alleineigentum überlassen. Die Eintragung als Alleineigentümerin im Grundbuch erfolgte am 28. Oktober 2016.

Nach dem undatierten Mietvertrag zwischen der Antragstellerin zu 1. und ihrer Mutter für die Wohnung im Obergeschoss (86 m²) sind seit 1. Dezember 2016 eine monatliche Grundmiete i.H.v. 220 EUR plus Nebenkosten pauschal i.H.v. 80 EUR zu zahlen. Für die Zeit seit Januar 2017 sind monatliche Überweisungen i.H.v. 300 EUR vom Konto der Antragstellerin zu 1. an die Mutter erfolgt. S. P. bewohnt seit 1. Dezember 2016 eine Wohnung im Erdgeschoss des Wohngebäudes (36 qm) und hat laut undatiertem Mietvertrag eine Gesamtmiete i.H.v. 260 EUR/Monat zu zahlen.

Nach der handschriftlichen Unterhaltsvereinbarung der Antragstellerin zu 1. mit S. P. vom 7. Januar 2015 sollten die Antragsteller zu 3. bis 4. abwechselnd im Wochenrhythmus betreut werden. Gegenseitige Unterhaltszahlungen sollten nicht erfolgen. Nach einer weiteren Vereinbarung vom 25. April 2015 sollten die Kinder sich monatlich zu 2/3 bei der Mutter und zu 1/3 beim Vater aufhalten. Nach den Angaben der Antragsteller im Beschwerdeverfahren überweist S. P. 122 EUR/Monat Schulgeld für den Antragsteller zu 4. an die besuchte freie Schule "B. R.".

Nach der Unterhaltsvereinbarung der Antragstellerin zu 1. mit dem Kindsvater des Antragstellers zu 2. K. S. vom 27. Januar 2015 sollte sich dieser an acht Tagen im Monat beim Kindsvater aufhalten. Vereinbart war eine monatliche Unterhaltszahlung von 155 EUR/Monat, zahlbar als Schulgeld für die besuchte freie Schule. Nach Angaben der Antragsteller im Beschwerdeverfahren überweist K. S. monatlich 215 EUR (Schulgeld und Kinderwerkstatt) für den Antragsteller zu 2. an die Schule.

Das Schulgeld ab August 2017 für den Antragsteller zu 3. (85 EUR) und die Kosten der Mittagsverpflegung für die Antragsteller zu 2. bis 4. (159 EUR) werden von der Antragstellerin zu 1. gezahlt.

Im Rahmen eines vorang...

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