Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit der Anfechtungsklage bei Erledigung eines Verwaltungsaktes

 

Orientierungssatz

1. Mitwirkungs- und Meldepflichten gehören zu den Obliegenheiten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach dem SGB 2. Allein durch die Konkretisierung der Obliegenheit mit der Einladung zur Vorsprache an einem bestimmten Termin wird ein behördliches Schreiben nicht zu einem Bescheid.

2. Entsprechend sind an die Nichtwahrnehmung eines Vorsprachetermins keine unmittelbaren Rechtswirkungen geknüpft. Will die Behörde rechtliche Konsequenzen aus einer Obliegenheitsverletzung des Leistungsberechtigten ziehen, so bedarf es des Vorgehens mittels Verwaltungsakt, etwa durch Erlass eines Versagungs- oder Sanktionsbescheides.

3. Ein Verwaltungsakt erledigt sich durch Zeitablauf oder auf andere Weise, wenn er seine regelnde Wirkung verliert oder die Ausführung seines Hauptverfügungssatzes rechtlich oder tatsächlich unmöglich geworden ist. Eine dagegen erhobene Klage ist mangels eines bestehenden Rechtsschutzinteresses unzulässig.

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein von ihr geführtes Klageverfahren beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG).

Die Klägerin bezog von der Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Schreiben vom 9. November 2006 forderte die Beklagte sie auf, am 29. November 2006 um 9.30 Uhr bei ihr vorzusprechen und dort Unterlagen vorzulegen. Gegen das mit einer Rechtsbehelfsbelehrung (Widerspruch) versehene Schreiben legte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten unter dem 27. November 2006 Widerspruch ein. Sie müsse zu dem Termin nicht erscheinen, da ihr Sohn Maik das "konstitutive Mitglied der Bedarfsgemeinschaft" sei. Er habe den Leistungsantrag gestellt und werde deshalb zu dem Termin erscheinen. Sie selbst stehe in einem Arbeitsverhältnis und sei persönlich nicht hilfebedürftig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2007 verwarf die Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Das angegriffene Schreiben sei kein Verwaltungsakt. Es habe weder Rechte begründet noch geändert, entzogen oder festgestellt. Es treffe keine Entscheidung über einen Rechtsanspruch. Es habe der Konkretisierung der Mitwirkungspflichten gedient und als Hinweis darauf, dass zur Bearbeitung des gestellten Leistungsantrags noch weitere Angaben notwendig seien. Es sei auch nicht deshalb als Verwaltungsakt zu klassifizieren, weil es die äußere Form eines Bescheids habe. Nach dem objektiven Erklärungswert beinhalte es keine Regelung.

Dagegen hat die Klägerin am 18. April 2007 beim SG Klage erhoben und die Bewilligung von PKH beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Meldeaufforderung zur Wahrnehmung eines Gesprächstermins sei eine Aufforderung gemäß § 59 SGB II und ein Verwaltungsakt. Jedenfalls habe die Beklagte den Eindruck erweckt, es handele sich um einen solchen. Eine Behörde müsse sich unmissverständlich ausdrücken, sonst habe sie die Folgen zu tragen.

Mit Beschluss vom 18. Juli 2007 hat das SG den PKH-Antrag abgelehnt. Die Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, denn die Klage sei voraussichtlich unzulässig. Ein Rechtsschutzinteresse für die Anfechtungsklage sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Die klageweise geltend gemachte Aufhebung der Aufforderung könne - unabhängig von ihrer rechtlichen Einordnung - die Rechtsposition der Klägerin und auch ihre wirtschaftliche Stellung nicht verbessern. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse sei weder vorgetragen noch ersichtlich.

Mit Gerichtsbescheid vom 20. August 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Sie sei mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig. Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt, die unter dem Aktenzeichen L 5 AS 158/07 beim erkennenden Senat anhängig ist.

Gegen den ihr am 25. Juli 2007 zugestellten PKH-Beschluss hat sie am 27. August 2007, einem Montag, Beschwerde eingelegt und ausgeführt, mit dem angegriffenen Bescheid habe die Beklagte sie verbindlich zur Mitwirkung verpflichtet. Es sei auch zukünftig möglich, dass die Beklagte sie mittels Bescheiden auffordere, Termine wahrzunehmen. Mit der Klage solle Klarheit geschaffen werden, welche Schreiben der Beklagten "tatsächlich Bescheide sind und welche nicht". Sonst bestehe das Risiko, dass sie zweideutige Formulierungen falsch verstehe und Rechtsnachteile daraus erleide. Dieses Interesse sei rechtlich schützenswert.

Sie beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Juli 2007 aufzuheben und ihr für das Verfahren des ersten Rechtszugs Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. aus D. zu gewähren.

Die Beklagte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und das Prozesskostenhilfebeiheft ergänzend Bezug genommen, die...

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