Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Anspruch auf häusliche Krankenpflege zum Herrichten und Verabreichen von Medikamenten bei Unterbringung in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe. Maßgeblichkeit des Heimvertrages und der sächlichen und personellen Ausstattung. Erforderlichkeit. Folgenabwägung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Einrichtung der Eingliederungshilfe kann grundsätzlich ein geeigneter Ort zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege iS des § 37 SGB 5 sein, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht bereits ein Anspruch auf Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht (§ 1 Abs 6 S 1 Krankenpflege-RL - HKP-RL - juris: HKPRL).

2. Eine Einrichtung der Eingliederungshilfe, die zur Erbringung von medizinischer Behandlungspflege grundsätzlich nicht verpflichtet ist, kann ihren Heimbewohnern gegenüber aus dem Heimvertrag dennoch die Herrichtung und Verabreichung von Medikamenten schulden.

3. Eine Hilfeleistung bei der oralen Einnahme von Tabletten nach ärztlicher Anweisung gehört regelmäßig zu der von Einrichtungen der Eingliederungshilfe geschuldeten Unterstützung bei den lebenspraktischen Verrichtungen, jedenfalls soweit die Einrichtung nach ihrer Konzeption und ihrer sächlichen und personellen Ausstattung zur Erbringung dieser Hilfe in der Lage ist.

4. Die Erbringung von häuslicher Krankenpflege durch die gesetzliche Krankversicherung ist nicht erforderlich iS von §§ 2, 12 SGB 5, soweit der Versicherte bereits einen Anspruch auf die erforderlichen Hilfestellungen gegenüber dem Einrichtungsträger hat.

5. Im einstweiligen Rechtsschutz ist bei nicht abschließend geklärter Rechtslage anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Beteiligten zu prüfen, ob die begehrte Anordnung zur Abwendung schwerer und unzumutbarer Beeinträchtigungen erforderlich ist. Wird von einer Leistungspflicht des beigeladenen Heimträgers ausgegangen, sind solche Beeinträchtigungen weder für den Antragsteller (Heimbewohner) noch für den beigeladenen Heimträger zu erwarten. Während sich der Antragsteller an den Heimträger halten kann, kann dieser die Kosten - bei entgegenstehender Hauptsacheentscheidung - nachträglich mit dem zuständigen Kostenträger abrechnen.

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsteller) begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Übernahme der Kosten für häusliche Krankenpflege zum Herrichten und Verabreichen von Medikamenten.

Der 1963 geborene, bei der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin) krankenversicherte Antragsteller lebt in der von der Beigeladenen zu 2) betriebenen Wohnstätte für behinderte Menschen "H." und ist täglich auf die Einnahme ärztlich verordneter Medikamente angewiesen. Nach ärztlicher Diagnose leidet er an Alkoholabhängigkeit, alkoholbedingter organischer Wesensveränderung, sekundärer Epilepsie, Zustand nach posterior Infarkt beidseits, Zustand nach Kleinhirninfarkt links, Hyperlipidämie, arterieller Hypertonie sowie einer spezifischen Visuseinschränkung. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. B. verordnete ihm mindestens seit April 2010 jeweils täglich einmal häusliche Krankenpflege zum Herrichten (teilweise zusätzlich auch zur Verabreichung) der Medikamente nach einem Medikamentenplan zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung, da die Selbstversorgung nicht möglich sei. Seit September 2011 erfolgen die Verordnungen zum Herrichten und zum Verabreichen von Medikamenten durch den Facharzt für Allgemeinmedizin D ...

Der Antragsteller wandte sich wegen der Kosten der Medikamentengabe und sonstiger Dienstleistungen aus ärztlicher Verordnung zunächst an den Landkreis als örtliches Sozialamt, das seinen Antrag an die Antragsgegnerin weiterleitete. Diese teilte dem Antragsteller mit, ihrer Ansicht nach sei die Leistung aufgrund der bestehenden Verträge mit der Beigeladenen zu 2) - dem Träger der Wohnstätte "H." - abgedeckt, die danach für die Erbringung der Leistungen zuständig sei. Der Beigeladenen zu 2) sicherte sie demgegenüber mit Schreiben vom 19. April 2010 zunächst die Kostenübernahme für die Medikamentengabe durch häusliche Krankenpflege zu den vereinbarten Vertragssätzen für die Zeit vom 6. bis 20. April 2010 (Erstverordnung) zu. Auf die Vorlage einer Folgeverordnung für den Zeitraum vom 21. April bis 30. Juni 2010 teilte sie dann aber dem Antragsteller mit, diese könne nicht bewilligt werden, da aufgrund der bestehenden vertraglichen Vereinbarungen mit der Beigeladenen zu 2) eine Genehmigung der behandlungspflegerischen Leistungen nach § 37 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) nicht möglich sei. Die Bewilligung für den Zeitraum vom 6. April bis 20. April 2010 werde zurückgezogen. Der Beigeladenen zu 2) teilte die Antragsgegnerin nunmehr mit, über den gene...

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