Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung der Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe. Verletzung der Pflicht zur Mitteilung einer Anschriftenänderung. Versendung der Änderungsmitteilung mit einfachem Brief. keine grobe Fahrlässigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Es ist grundsätzlich nicht grob fahrlässig (§ 48 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 10), wenn der nach § 60 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 1 zur Mitteilung von Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen Verpflichtete - hier zur Änderung der Anschrift - ein entsprechendes Mitteilungsschreiben an die Bundesagentur für Arbeit mit einfachem Brief verschickt. Eine Pflicht zur Erkundigung nach dem Eingang der Mitteilung kann bei besonderen Umständen des Einzelfalls bestehen.

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 12.02.2009 - S 1 AL 40/08 - sowie die Bescheide der Beklagten vom 16.04.2008 und 05.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2008 aufgehoben.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) und die Rückforderung von Leistungen.

Der am … 1989 geborene ledige Kläger hat nach dem Schulbesuch zum 01.09.2006 eine Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) zum Industriemechaniker bei der G GmbH & Co KG in G aufgenommen, die er wie vorgesehen im Jahr 2010 abschloss. Im ersten Ausbildungsjahr war er an drei Wochentagen in einer Ausbildungswerkstatt in P und an zwei Wochentagen in der Berufsschule in G und ab dem zweiten Ausbildungsjahr vier Wochentage im Betrieb des Arbeitgebers in G und einen Wochentag in der Berufsschule tätig.

Der Kläger wohnte bis zur Aufnahme der Ausbildung bei seinen Eltern in U und mietete zum 28.08.2006 eine Wohnung (Miete einschließlich Nebenkosten 200,00 € monatlich) in P an. Die Entfernung von U nach G beträgt nach seinen Angaben 35 km, von P nach G 22 km und von P nach U nach den Ermittlungen der Beklagten 45,8 km. Der Kläger gab an, er habe sich eine Wohnung in P genommen, da die Busverbindungen von U nach P und nach G unzureichend seien. Nach den in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltenen Fahrplanauskünften war dies zutreffend. Von dem Arbeitgeber erhielt er einen monatlichen Zuschuss von 80,00 € für die Fahrt zwischen Ausbildungsstätte und Berufsschule.

In dem Antrag auf Gewährung von BAB (Eingang bei der Beklagten am 23.08.2006; mündliche Antragstellung am 10.07.2006) war u.a. folgender Hinweis enthalten:

"Ich nehme zur Kenntnis, dass ich verpflichtet bin, der Agentur für Arbeit ohne Aufforderung unverzüglich jede Änderung mitzuteilen, die für den Anspruch auf die Berufsausbildungsbeihilfe oder für deren Höhe von Bedeutung ist (z.B. vorzeitiges Ausscheiden aus meiner Ausbildung, vorzeitiger Abschluss oder Unterbrechung meiner Ausbildung, Wechsel der Ausbildungsstätte - auch durch Betriebsstilllegung oder durch Betriebsübernahme - Erkrankung, Wiederaufnahme der Ausbildung nach einer Erkrankung oder Schwangerschaft, Änderung meiner Anschrift und Unterbringung)."

Der Kläger und seine Mutter J M bestätigten im Antragsformular durch Unterschrift, die "Hinweise zum Ausfüllen des Antrages auf Berufsausbildungsbeihilfe" erhalten und von dem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Dort war zu der Frage, ob der Kläger während seiner Ausbildung im Haushalt seiner Eltern oder seines Elternteils wohne, als Hinweis ausgeführt:

"Sie haben in der Regel keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe, wenn Sie bei den Eltern oder einem Elternteil wohnen. Wenden Sie sich im Zweifelsfalle an die Berufsberatung / das Ausbildungsmarkt-Partnerteam."

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 28.09.2006 BAB für den Zeitraum vom 01.09.2006 bis 31.08.2007 in Höhe von (i.H.v.) monatlich 91,00 € und vom 01.09.2007 bis 28.02.2008 i.H.v. monatlich 205,00 €. Sie legte der Berechnung ein anzurechnendes Einkommen von monatlich 434,63 € bei einem Gesamtbetrag von monatlich 525,32 € bis 31.08.2007 und ab 01.09.2007 von 639,72 € zugrunde. In den Anlagen zum Bescheid war darauf hingewiesen, dass die Fahrtkosten ab dem 01.09.2007 für drei Tage zwischen P und G berücksichtigt worden seien. Die Fahrten zur Berufsschule bekomme er von seinem Arbeitgeber erstattet. Sollten sich die Fahrtkosten ändern, werde um entsprechende Mitteilung gebeten. Außerdem war u.a. folgender Hinweis enthalten:

"Sie sind nach § 60 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) verpflichtet, der Agentur für Arbeit ohne Aufforderung unverzüglich jede Änderung mitzuteilen, die für den Anspruch auf die BAB oder für deren Höhe von Bedeutung ist (z.B. vorzeitiges Ausscheiden aus der Ausbildung, vorzeitiger Abschluss oder Unterbrechung der Ausbildung, Wechsel der Ausbildungsstätte - auch durch Betriebsstilllegung oder durch Betriebsübernahme - Erkrankung, Wiederaufnahme der Ausbildung nach einer Erkrankung, Schwangerschaft, Änderung der Anschrift und der Unterbringung des Auszubildenden). Für ihre ...

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