Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung. Überbrückungsgeld für Haftentlassene nach § 51 StVollzG. Einkommen bei Auszahlung nach Beantragung von Arbeitslosengeld II. einmalige Einnahme. Verteilzeitraum

 

Leitsatz (amtlich)

1. Überbrückungsgeld nach § 51 Abs 1 StVollzG ist je nach dem Zeitpunkt des Zuflusses vor oder nach der Antragstellung als Vermögen oder als Einkommen zu berücksichtigen (Anschluss an BSG vom 6.10.2011 - B 14 AS 94/10 R).

2. Das Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG fließt dem Strafgefangenen im Zeitpunkt der Auszahlung zu. Zuvor hat der Strafgefangene lediglich einen Zahlungsanspruch gegen das die Haftanstalt tragende Land, das Überbrückungsgeld ist nicht als ein zwangsweise aus den Einkünften des Gefangenen angelegtes Sparguthaben anzusehen.

3. Stellt das Überbrückungsgeld Einkommen dar, ist es als einmalige Einnahme auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen. Die besondere Zweckbindung des Überbrückungsgeldes, in den ersten 4 Wochen nach der Haftentlassung den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten zu sichern, führt nicht dazu, dass keine Verteilung erfolgt.

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 19.01.2010 aufgehoben, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, dem Kläger Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 22.07.2009 bis zum 30.09.2009 zu gewähren. Die diesen Zeitraum betreffende Klage wird abgewiesen.

2. Der Beklagte hat dem Kläger 1/5 seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, in welcher Höhe der Kläger in der Zeit vom 22.07.2009 bis zum 30.09.2009 Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hatte.

Der 1983 geborene Kläger befand sich in der Zeit vom 15.06.2007 bis zum 22.06.2009 zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt in W . Die Kreisverwaltung Westerwaldkreis gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 23.04.2009 Leistungen der medizinischen Rehabilitation nach § 54 Abs 1 S 1 SGB XII iVm § 26 SGB IX für eine stationäre Drogenentwöhnung sowie einen Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII in Höhe von 95,00 € monatlich. Die Leistung wurde unter der Bedingung gewährt, dass der Kläger umgehend einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) stellte. Am 05.05.2009 stellte der Kläger beim Jobcenter für den Westerwaldkreis einen entsprechenden Antrag, der an die damals zuständige Agentur für Arbeit (AA) in Bad Neuenahr-Ahrweiler (im Folgenden als Beklagter bezeichnet) weitergeleitet wurde. Der Kläger wies darin darauf hin, dass er am 22.06.2009 mit einer medizinischen Reha-Maßnahme beginnen werde und ihm eine Kostenzusage der Kreisverwaltung Westerwaldkreis für zunächst 21 Wochen vorliege.

Der Kläger wurde am 22.06.2009 gemäß § 35 des Betäubungsmittelgesetzes (BTMG) aus der Haft entlassen und am Entlassungstag zur stationären Drogenentwöhnungsbehandlung in der Fachklinik H in R aufgenommen. Die voraussichtliche Dauer der Basistherapie wurde vom Träger der Einrichtung in einer Mitteilung vom 14.07.2009 mit 26 Wochen (Therapieende am 22.12.2009) und in einer weiteren, auf Nachfrage des Beklagten erteilten Auskunft vom 15.07.2009 mit 21 Wochen (bis einschließlich 16.11.2009) angegeben. Die Therapie dauerte letztlich bis zum 16.02.2010.

Bei seiner Entlassung aus der Haft wurde dem Kläger ein Betrag in Höhe von 1.516,32 € bar ausgezahlt. Darin war Überbrückungsgeld in Höhe von 1.404,00 € enthalten.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 16.07.2009 für die Zeit vom 22.06.2009 bis zum 30.06.2009 einen Betrag in Höhe von 0,01 €. Im Übrigen wurde dem Kläger für den Zeitraum vom 01.07.2009 bis zum 31.10.2009 ein Betrag in Höhe von 0,01 € monatlich und für den Zeitraum vom 01.11.2009 bis zum 16.11.2009 ebenfalls ein Betrag von 0,01 € bewilligt. Bei der Bedarfsberechnung berücksichtigte der Beklagte einen Minderungsbetrag von 82,57 € mit der Begründung, während seines Aufenthaltes im H benötige der Kläger keine Kosten für Wohnung, Strom, Möbel, Haushaltsgeräte, Gesundheitspflege und Verkehr. Das dem Kläger ausbezahlte Überbrückungsgeld wurde im Juni 2009 in Höhe von 81,07 €, in den Monaten Juli bis Oktober in Höhe von 276,42 € und im November mit 147,42 € als Einkommen berücksichtigt.

Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Überbrückungsgeld, das dem Kläger bar ausgezahlt worden sei, sei als einmalige Einnahme und nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Es sei dem Kläger auch im Bewilligungszeitraum zugeflossen. Die monatliche Verteilung und Anrechnung des Einkommens auf den Bewilligungszeitraum vom 22.06.2009 bis 16.11.2009 erfolge derart, dass dem Kläger ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 0,01 € und damit der Krankenversicherungsschutz verbleibe.

Der Kläger ...

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