Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Kraftfahrzeughilfe für behinderungsbedingte Pkw-Zusatzausstattung eines Neuwagens. Umbaukosten. Erforderlichkeit. Zumutbarkeit der Nutzung des Altwagens mit behinderungsgerechter Zusatzausstattung gem § 4 Abs 1 KfzHV. wirtschaftliche Gesichtspunkte

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung gem § 7 Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) kann grundsätzlich nicht isoliert von der Frage des Vorhandenseins oder des Bedarfes auf ein Kfz beurteilt werden.

Veräußert ein Betroffener ein Altfahrzeug, das über eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung verfügte, und schafft sich ein Neufahrzeug an, hat er keinen Anspruch auf die Übernahme der Kosten für eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung, wenn ihm die weitere Benutzung des alten Fahrzeuges noch gem § 4 KfzHV zumutbar war.

Die Unzumutbarkeit der Weiterbenutzung kann sich nicht allein daraus ergeben, dass ein günstiges Angebot zum Erwerb des Neufahrzeuges unter Inzahlungnahme des Altfahrzeuges vorliegt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 18.10.2017; Aktenzeichen B 2 U 135/17 B)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 16.12.2016 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Übernahme von Kosten für den Umbau eines Gaspedals.

Der am ...1954 geborene Kläger erlitt am 05.12.1983 einen Arbeitsunfall mit der Folge einer traumatischen Oberschenkelamputation rechts. 2006 wurde er mit einer Endo-Exo-Prothese versorgt. Ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 mit den Merkzeichen “G„, “B„ und “aG„ ist festgestellt. Der Kläger ist als Reiseverkehrskaufmann im Reisebüro seiner Ehefrau A… K… tätig.

Ein Zuschuss zum Erwerb eines Kfz wurde dem Kläger 2005 gewährt. Dieses Fahrzeug wurde vom Kläger nach eigenen Angaben veräußert, da er Reparaturen und Wartungen befürchtete. Im Januar 2012 erwarb die Ehefrau des Klägers einen gebrauchten BMW, Baujahr 2007, zu einem Preis von 29.400,00 €, der auf den Kläger angemeldet wurde. Im April bzw. Mai 2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger die Kosten für den behindertengerechten Umbau des Gaspedals und die Rückversetzung des Fahrersitzes (1.963,20 € und 500,00 €).

Am 12.03.2015 bestellte die Ehefrau des Klägers bei der Firma Autohaus E… GmbH einen Gebrauchtwagen der Marke BMW (Erstzulassung 13.05.2011, Kilometerstand 75.000) zum Gesamtpreis von 35.000,00 €. Das vorhandene Fahrzeug sollte für 15.000,00 € in Zahlung genommen werden.

Am 16.03.2015 teilte der Kläger der Beklagten telefonisch den Kauf mit und bat um die Prüfung einer Förderung bzw. Bezuschussung des Kfz im Hinblick auf den Umbau des Gaspedals. Schriftlich stellte er den Antrag ebenfalls am 16.03.2015. Sein vorhandenes Fahrzeug sei bereits 140.000 Kilometer gefahren und acht Jahre alt, so dass er aus wirtschaftlichen Gründen ein neues erworben und das alte in Zahlung gegeben habe. In der nächsten Zeit hätten größere Reparaturen für Verschleißteile, Auspuffanlage, Turbolader, Bremsscheiben, Generator, Anlasser usw. angestanden. Der Kläger legte das Angebot der Firma M… bzgl. des Umbaus des Gaspedals für 1.918,11 € vor.

Die Beklagte antwortete ihm mit Schreiben vom 17.03.201, die Gewährung einer Kfz-Hilfe setze wegen der erst rund drei Jahre zurückliegenden letzten Förderung voraus, dass die weitere Nutzung des Fahrzeugs aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht mehr zumutbar sei. Entsprechende Nachweise seien vorzulegen.

Am 19.03.2015 wies der Kläger telefonisch und per E-Mail darauf hin, dass das Autohaus ihm für das alte Fahrzeug 15.000,00 € sowie einen Abschlag von 1.660,00 € beim Kauf des neuen angeboten habe. Wenn ein Gutachten über den Zustand des Altfahrzeugs erstellt würde, könnte dies zur Folge haben, dass er nicht mehr den angebotenen Preis für die Inzahlungnahme erhalte.

Nachdem der Kläger ein Angebot der Firma A… GmbH vorgelegt hatte, wonach der Neupreis für das erworbene Fahrzeug 72.700,00 € betrage, lehnte die Beklagte es durch Bescheid vom 27.03.2015 ab, ihm den Zuschuss als Kraftfahrzeughilfe zu gewähren. Dem Kläger sei bereits 2012 eine Kraftfahrzeughilfe gewährt worden. Es ergäben sich keine Anhaltspunkte, dass das seinerzeit geförderte Fahrzeug nicht mehr wirtschaftlich sei. Vielmehr sei dafür ein Verkaufserlös von 15.000,00 € erzielt worden, was für einen erheblichen wirtschaftlichen Wert spreche. Nachweise über eine erhebliche Reparaturnotwendigkeit seien trotz Aufforderung nicht erbracht worden, auch mit einem Wirtschaftlichkeitsgutachten sei der Kläger nicht einverstanden gewesen. Darüber hinaus sei der Neupreis für das erworbene Fahrzeug inklusive sämtlicher Zusatzausstattungen auf über 100.000,00 € anzusetzen, erworben worden sei es jedoch zu einem Preis von 34.582,31 € netto, also deutlich unterhalb 50 % des Neupreises. Im Übrigen sei der Antrag erst nach Abschluss des Kaufvertrages für das Fahrzeug gestellt worden. Dami...

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