Entscheidungsstichwort (Thema)

Rehabilitationsantrag. zweitangegangener Rehabilitationsträger. keine Weiter- oder Rückleitung an erstangegangen Rehabilitationsträger. Unterbringung in Wohngemeinschaft für junge Menschen mit Essstörungen fällt unter Eingliederungshilfe nach § 35a SGB 8

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein einem Rehabilitationsträger von einem anderen Träger zugeleiteter Rehabilitationsantrag darf nicht ein zweites Mal weitergeleitet oder an den erstangegangenen Träger zurückgeleitet werden. In diesem Zusammenhang ist nicht zu prüfen, ob dem erstangegangenen Träger ein rechtsmissbräuchliches Verhalten zur Last fällt.

2. Als Leistung der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB 8 kommt die Unterbringung in einer Wohngemeinschaft für junge Menschen mit Essstörungen in Betracht

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 20.7.2011 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I. Umstritten ist, ob das Sozialgericht (SG) die Antragsgegnerin zu Recht im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, die Kosten der Unterbringung der Antragstellerin in einer Wohngemeinschaft für junge Menschen mit Essstörungen zu übernehmen.

Die 1993 geborene Antragstellerin, bei der Antragsgegnerin krankenversichert, leidet ua an einer Anorexia nervosa vom restriktiven Typ mit massivem Untergewicht, weshalb sie stationär im Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des D-Krankenhauses A -H behandelt wurde. Die behandelnden Ärzte rieten in ihrem Schreiben vom 17.5.2011 davon ab, die Antragstellerin in ihre frühere Umgebung, dh zu ihren Eltern, zu entlassen, da sie in dieser Familienstruktur stark gefährdet sei, in alte dysfunktionale Verhaltensmuster zu fallen und erneut ihr Gewicht so zu reduzieren, dass eine vitale Gefährdung nicht auszuschließen sei. In ihrer Stellungnahme vom 3.6.2011 empfahlen sie die Aufnahme in eine Wohngruppe für Patienten mit Essstörungen nach Ende der stationären Behandlung; eine langfristige Stabilisierung sei nur im Rahmen eines längerfristigen Aufenthalts dort von mehr als sechs Monaten gewährleistet.

Die Antragstellerin hatte bereits zuvor mit am 6.5.2011 bei dem beigeladenen Landkreis eingegangenem Schreiben ihre Unterbringung in der Wohngemeinschaft für Essgestörte des S G -W in A beantragt. Der Beigeladene hatte diesen Antrag mit Schreiben vom 11.5.2011 an die Antragsgegnerin weitergeleitet, da möglicherweise eine medizinische Rehabilitation notwendig sei. Die Antragsgegnerin hatte den Antrag mit Schreiben vom 18.5.2011 wegen eines "offensichtlichen Bearbeitungsfehlers beim erstangegangenen Träger" an den Beigeladenen zurückgeleitet.

Am 11.7.2001 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Koblenz beantragt, die Antragsgegnerin oder den Beigeladenen im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, die Kosten ihrer Unterbringung in einer Wohngemeinschaft für junge Menschen mit Essstörungen zu übernehmen. Das SG hat das Verfahren unter den Aktenzeichen S 14 KR 389/11 ER und S 11 SO 80/11 ER erfasst. Die Antragstellerin hat vorgetragen, in der Einrichtung des S G -W in A sei bis circa Ende Juli 2011 ein Platz für sie reserviert; bis zu diesem Zeitpunkt müsse eine Entscheidung über die Kostenübernahme getroffen werden. Die Antragsgegnerin hat eingewandt, nicht sie, sondern der Beigeladene sei vorliegend der zuständige Rehabilitationsträger. Das Sozialwerk S G in A sei keine Rehabilitationseinrichtung im Sinne des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), da in der Wohngemeinschaft keine medizinische Rehabilitation durchgeführt werde. Die Weiterleitung des Antrags durch den Beigeladenen an sie, die Antragsgegnerin, sei rechtsmissbräuchlich gewesen.

Das SG Koblenz hat mit Beschluss vom 20.7.2011 die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig die Kosten der Unterbringung der Antragstellerin in einer Wohngemeinschaft für junge Menschen mit Essstörungen zu übernehmen. Zur Begründung hat es dargelegt: Die Antragsgegnerin sei im Sinne des § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zuständig, weil der Beigeladene den Antrag der Antragstellerin innerhalb von zwei Wochen an sie weitergeleitet habe. Die Antragsgegnerin habe es versäumt, den Rehabilitationsbedarf unverzüglich festzustellen, wie es § 14 Abs 2 Sätze 1 bis 3 SGB IX verlange. Ausgehend von den Ausführungen des D -K A -H sei das Ermessen der Antragsgegnerin dahin auf Null reduziert, dass nur die Unterbringung der Antragstellerin in einer Einrichtung für Essgestörte in Betracht komme. Auch der erforderliche Anordnungsgrund liege vor. Um die nahtlose Fortsetzung der begonnenen Genesung der Antragstellerin nicht zu gefährden, bedürfe es des Erlasses der beantragten einstweiligen Anordnung.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 26.7.2011 eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin ist aufgrund der e...

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