Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des § 56 Abs 4 Nr 3 SGB 6 idF vom 23.6.2014. Festsetzung von Gerichtskosten gegen den Verfahrensbeteiligten bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten

 

Orientierungssatz

1. § 56 Abs 4 Nr 3 SGB 6 idF vom 23.6.2014 verstößt nicht gegen das GG.

2. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten iS des § 192 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG liegt ua dann vor, wenn der Beteiligte erkennt, dass eine positive Entscheidung nicht ergehen kann, die maßgeblichen Gründe versteht, ihnen nichts entgegenzusetzen weiß und er auf einem schriftlichen Urteil besteht.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 25.01.2017; Aktenzeichen B 13 R 350/16 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 5. August 2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat Gerichtskosten in Höhe von 675,00 Euro zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Feststellung von Kindererziehungszeiten.

Die 1949 geborene Klägerin ist Mutter von drei Söhnen (P, geboren am 00.00.1974, L, geboren am 00.00.1975, und U, geboren am 00.00.1977). Seit dem 1.2.1971 ist sie beamtete Lehrerin des Landes Nordrhein-Westfalen, zum 1.4.2006 wurde sie vorzeitig in den Ruhestand versetzt und bezieht seither Versorgungsbezüge nach dem Beamtenversorgungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbeamtenversorgungsgesetz - LBeamtVG NRW) in Höhe von zu Beginn EUR 1403,44 brutto (Bescheid des Landesversorgungsamt Nordrhein Westfalen vom 8.6.2006). Bei der Festsetzung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit wurden für jeden Sohn sechs Monate Kindererziehungszeit berücksichtigt.

Im Juni 2014 beantragte die Klägerin bei der DRV Rheinland - Servicezentrum E - die Klärung ihres Versicherungskontos in der gesetzlichen Rentenversicherung unter gleichzeitiger Feststellung von Kindererziehungszeiten für ihre drei Söhne.

Die nach dem Verteilungsschlüssel (vgl § 127 Abs 1 und 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)) zuständig gewordene Beklagte stellte die rentenrechtlichen Zeiten bis zum 31.12.2007 verbindlich fest. Kindererziehungszeiten seien nicht vorzumerken, weil die Klägerin insoweit Versorgungsanwartschaften nach beamtenrechtlichen Vorschriften erworben habe. Nach den Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung gälten diese als systembezogen annähernd gleichwertig (Bescheid vom 25.9.2014).

Mit ihrem Widerspruch trug die Klägerin vor, sie habe für ihre vor dem 31.12.1991 geborenen Kinder keine systembezogen gleichwertigen Versorgungsanwartschaften erworben, weil bei der Festsetzung ihrer Versorgungsbezüge nur sechs Monate pro Kind als Kindererziehungszeit berücksichtigt worden seien. Die Neuregelung 2014 sehe aber eine Anerkennung von zwei Jahren für jedes vor 1992 geborene Kind vor. Diese Differenz könne weder finanziell noch menschlich als "annähernd gleichwertig" bezeichnet werden.

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben, die den Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung systembezogen annähernd gleichwertig seien. Kraft gesetzlicher Anordnung gelte nämlich jede Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften als systembezogen annähernd gleichwertig (Widerspruchsbescheid vom 19.1.2015).

Mit ihrer Klage vom 19.2.2015 hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Die Berücksichtigung von Zeiten der Erziehung vor dem 1.1.1992 geborener Kinder im Recht der Beamtenversorgung sei derjenigen in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht gleichwertig. Hier ende seit dem 1.7.2014 die Kindererziehungszeit für jedes vor dem 1.1.1992 geborene Kind (erst) nach 24 Kalendermonaten, während bei ihren Versorgungsbezügen nur sechs Monate pro Kind berücksichtigt worden seien.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Eine Einzelfallprüfung, ob eine systembezogen annähernd gleichwertige Berücksichtigung vorliege oder nicht, sei aufgrund der zum 1.7.2014 eingeführten Vorschrift des § 56 Abs 4 Nr 3 SGB VI entbehrlich, denn danach gelte eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen als systembezogen annähernd gleichwertig. Bei Vorliegen einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften finde eine individuelle Prüfung der Gleichwertigkeit nicht mehr statt (Urteil vom 5.8.2015, der Klägerin zugestellt am 12.8.2015).

Mit ihrer Berufung vom 4.9.2015 trägt die Klägerin ergänzend vor, die gesetzliche Fiktion des § 56 Abs 4 Nr 3 SGB VI verstoße gegen Art 3 GG, da sie als "ältere Mutter" benachteiligt werde. Sie werde schlechter behandelt als versorgungsberechtigte Mütter, deren Kinder nach dem 1.1.1992 geboren worden seien, und als Mütter, deren Kinder vor dem 1.1.1992 geboren worden seien und die Erziehungszeiten nach dem SGB VI erhielten. Es liege eine personenbezogene Differenzierung vor, für die ein legitimer Zweck der Ungleichbehandlung nicht ersichtlich sei.

Die Klägerin beantr...

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