Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. kein Anspruch auf Analogleistungen bei Nichterfüllung der Vorbezugszeit. Grundsicherung für Arbeitsuchende. gemischte Bedarfsgemeinschaft. Leistungsausschluss für nach § 1 AsylbLG leistungsberechtigte Kinder. Verstoß gegen die EGRL 83/2004

 

Orientierungssatz

1. Das Erfordernis der Erfüllung der Vorbezugszeit für einen Anspruch auf Analogleistungen gem § 2 Abs 1 AsylbLG gilt auch für Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 AufenthG 2004. Etwas anderes ergibt sich auch nicht mit Blick auf Art 3 Abs 1 GG.

2. Der Ausschluss minderjähriger Kinder, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 AufenthG 2004 besitzen und damit leistungsberechtigt nach dem AsylbLG sind, deren Eltern jedoch Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB 2 beziehen, von den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gem § 7 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 2 verstößt gegen die Regelungen der EGRL 83/2004.

3. Das geltende deutsche Recht kann nicht in einer Weise europarechtskonform ausgelegt werden, dass es mit den Vorgaben der EGRL 83/2004 in Übereinstimmung zu bringen wäre. Ein Anspruch der Kinder auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB 2 ergibt sich damit unmittelbar aus der EGRL 83/2004.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.05.2015; Aktenzeichen B 7 AY 4/12 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger zu 2 bis 4 sowie der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 27.05.2008 geändert. Der Beigeladene wird verurteilt, den Klägern zu 1 bis 4 für den Monat August 2007 Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch unter Anrechnung der den Klägern für diesen Monat von der Beklagten bereits gewährten Leistungen zu gewähren. Die Berufung der Kläger zu 2 bis 4 wird im Übrigen zurückgewiesen und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Der Beigeladene trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger für beide Rechtszüge.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch, ob die Kläger im Monat August 2007 anstelle so genannter Grundleistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) von der Beklagten so genannte Analogleistungen gemäß § 2 AsylbLG oder von dem Beigeladenen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) beanspruchen können.

Die Kläger (der Kläger zu 1 geboren am 00.00.1992, der Kläger zu 2 geboren am 00.00.1994, der Kläger zu 3 geboren am 00.00.1998 und der Kläger zu 4 geboren am 00.00.2003) sind irakische Staatsbürger. Im streitigen Zeitraum waren sie Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Zeitweise - vom 13.05.2005 bis 26.12.2005 - hatte zuvor für alle Kläger eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG vorgelegen.

Die Kläger zu 1 bis 3 halten sich seit August 2002, der Kläger zu 4 seit seiner Geburt in Deutschland auf. Die Asylanträge der Kläger zu 1 bis 3 vom 14.08.2002 wurden mit Bescheid vom 07.10.2002 bestandskräftig abgelehnt; der Asylantrag des Klägers zu 4 vom 12.11.2003 wurde ebenfalls abgelehnt (Bestandskraft seit dem 11.12.2003).

Im streitigen Zeitraum lebten die Kläger im Haushalt ihrer Eltern. Diese sind seit dem 13.05.2005 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG, nachdem in den Klageverfahren 4 K 2113/02. A und 4 K 422/02.A vom Verwaltungsgericht B Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 Ausländergesetz (AuslG) festgestellt worden waren. Die Eltern der Kläger beziehen seit Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II.

Seit Einreise nach Deutschland (Kläger zu 1 bis 3) bzw. Geburt (Kläger zu 4) bis einschließlich Dezember 2004 bezogen die Kläger Leistungen gemäß § 3 AsylbLG. Nachfolgend erhielten sie bis einschließlich zum 30.04.2007 vom Beigeladenen Leistungen nach dem SGB II. Dieser informierte die Beklagte über die Leistungseinstellung zum 01.05.2007 und machte einen Erstattungsanspruch gelten. Ein vom Vater der Kläger gestellter Fortzahlungsantrag vom 29.03.2007 wurde hinsichtlich der Kläger zunächst nicht beschieden. Mit Schreiben vom 30.03.2007 wies der Beigeladene den Vater jedoch darauf hin, dass wegen des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG für seine Kinder kein Leistungsanspruch nach dem SGB II mehr bestehe. Ein weiterer Fortzahlungsantrag (SGB II) datiert vom 25.09.2007. In beiden Anträgen wurden die Kläger nicht explizit erwähnt. Ein sämtliche Kläger betreffender Ablehnungsbescheid des Beigeladenen vom 05.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2009 ist Gegenstand eines derzeit ruhenden Klageverfahrens beim Sozialgericht Aachen (S 14 AS 76/09).

Für den Monat Mai 2007 bewilligte die Beklagte den Kläger Leistungen nach § 3 AsylbLG durch Bescheid vom 13.04.2007, für den Monat Juli 2007 durch Bescheid vom 21.06.2007. Für die Monate Juni 2007 und August 2007 erfolgte die Leistungsbewilligung allein durch tatsächliche Leistungszahlung.

Unter dem 23.08.2007 meldete die Beklagte bei dem Beigeladenen ihrersei...

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