Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis. Rechtsanspruch bei Erfüllung der Voraussetzungen. Antragstellung nur durch Hersteller. kein Verstoß gegen das Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen

 

Orientierungssatz

1. § 139 Abs 4 S 1 SGB 5 begründet - bei Erfüllung der Voraussetzungen - einen Rechtsanspruch auf Eintragung eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis.

2. Das Aufnahmeverfahren wird durch einen Antrag des Herstellers eingeleitet und kann grundsätzlich nur vom Hersteller betrieben werden. Reine Vertriebsunternehmen können demnach weder selbst die Eintragung eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis beantragen noch das Aufnahmeverfahren betreiben. Diese Regelung ist zwar erst durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 mit Wirkung vom 1.4.2007 in das Gesetz eingefügt worden, hat aber auch schon für die davor liegenden Zeiträume Bedeutung, weil es sich nicht um eine konstitutiv wirkende, sondern um eine klarstellende Regelung handelt (vgl BSG vom 22.4.2009 - B 3 KR 11/07 R = BSGE 103, 66 = SozR 4 - 2500 § 33 Nr 22 RdNr 45).

3. Dass ausschließlich Hersteller iSd § 139 SGB 5 die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis beantragen können, verstößt nicht gegen Art 34 AEUV.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.03.2012; Aktenzeichen B 3 KR 6/11 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.08.2007 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis gemäß § 139 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Die Klägerin produziert und vertreibt Hilfsmittel für die Rehabilitation von Laryngektomierten und Tracheotomierten. Sie vertreibt u.a. das sog. "DeltaNex®-Lätzchen" und das "Buchanan®-Lätzchen". Diese Hilfsmittel wurden von der Firma "L " (X, Großbritannien - im Folgenden: L) für Patienten entwickelt, denen die Luftröhre eröffnet oder der Kehlkopf teilweise oder völlig entfernt worden ist.

Nach den Angaben der Klägerin handelt es sich bei dem DeltaNex-Lätzchen um ein Produkt für Halsatmer, das Tracheostomaschutz und Filtersystem kombiniert. Es wird über dem Tracheostoma getragen, ist mit einem Baumwollband versehen und wird mit einem Klettverschluss befestigt. Das DeltaNex-Lätzchen enthält eine Schaumstoffeinlage, die für eine Filterung, Erwärmung und Anfeuchtung der Atemluft sorgen soll. Bei dem Buchanan-Lätzchen handelt es sich ebenfalls um ein Schutzlätzchen für Halsatmer, das in Aufbau und Funktion dem DeltaNex-Lätzchen ähnelt. Es ist größer als das DeltaNex-Lätzchen, in zwei unterschiedlichen Größen erhältlich und wird mit Textilbändern verknotet.

Sowohl die DeltaNex- als auch die Buchanan-Lätzchen werden von der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland (wie auch in der Schweiz und in Österreich) vertrieben. Die Klägerin etikettiert die Lätzchen u.a. mit ihrem Firmennamen und verpackt sie in Plastiktüten, die mit einer Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache, dem Hinweis auf den Firmennamen der Klägerin und einer CE-Kennzeichnung versehen sind.

Einen bereits im Jahr 1998 gestellten Antrag auf Aufnahme des DeltaNex- und Buchanan-Lätzchens in das Hilfsmittelverzeichnis hatten die (damaligen) Spitzenverbände der Krankenkassen mit der Begründung abgelehnt, dass diese Lätzchen nicht zum Dauergebrauch konzipiert seien.

Unter dem 19.06.2002 beantragte die Klägerin erneut die Aufnahme der Lätzchen in das Hilfsmittelverzeichnis, und zwar als eine neue Produktart. Hierzu führte sie u.a. aus, dass es sich bei dem Lätzchen teilweise um Schutz- und teilweise um Partikelfilter handele, die den Vorteil aufwiesen, dass eine deutlich höhere Befeuchtungskapazität erreicht werde als bei herkömmlichen Lätzchen. Die Produkte seien insbesondere für Patienten konzipiert worden, die unter Allergien etc. litten und keine Kleber vertragen könnten. Zum Nachweis der Gebrauchstauglichkeit fügte die Klägerin (in englischer Sprache verfasste) Stellungnahmen britischer Krankenhäuser, Institutionen und Interessenverbänden sowie Berichte über Studien und Anwendungsbeobachtungen bei. Sie übersandte ferner Konformitätserklärungen, mit denen bestätigt wurde, dass die Hilfsmittel mit der Richtlinie (RL) 93/42 EWG des Rates vom 14.06.1998 über Medizinprodukte (Abl. L 169/ 1 v. 12.07.1993) übereinstimmten und folglich über eine CE-Kennzeichnung verfügten. Außerdem legte die Klägerin Prüfberichte der Wickham Laboratories (Großbritannien) vor.

Nach Einholung von Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen (jetzt: Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. - MDS) vom 05.05.2003 sowie 01.06.2004 und Anhörung der Klägerin lehnten die Rechtsvorgänger des Beklagten die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis ab. Zur Begründung stellten sie im Wesentlichen darauf ab, dass die Klägerin die Einhaltung der Qualitätsstandards zu den Produktarten "Lätzchen" und "Partikelfilte...

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