Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss des Anspruchs eines Schülers auf Bewilligung von Petö-Therapie als Leistung der Eingliederungshilfe in Form von Hilfe zur angemessenen Schulbildung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 14 Abs. 2 S. 1 SGB 9 wird der erstangegangene Sozialleistungsträger für eine begehrte Rehabilitationsleistung im Außenverhältnis unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zur Entscheidung zuständig, wenn er den gestellten Antrag nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist gemäß Abs. 1 S. 1 an den eigentlich zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet hat.

2. Für die Abgrenzung von sozialer und medizinischer Rehabilitation als Leistung der Eingliederungshilfe ist maßgeblich, ob die Therapie direkt an der Behandlung der behinderungsbedingten Störung ansetzt oder unmittelbar die sozialen Folgen einer Behinderung beseitigen oder mindern soll.

3. Die Petö-Therapie stellt nach ihrem Konzept eine pädagogische, therapeutische und medizinische Bereiche zusammenführende Förderung dar. Sie ist eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation.

4. Macht ein Schüler geltend, er wäre zum Schulbesuch nicht geeignet, wenn seine spastisch bilaterale Cerebralparese durch die beantragte Petö-Therapie nicht zurückgeführt werde, so steht im Vordergrund der Therapie die Verbesserung der Bewegungsfähigkeit. Damit handelt es sich um medizinische Rehabilitation i. S. des § 26 Abs. 1 SGB 9.

5. Besteht kein Indiz dafür, dass die beantragte Petö-Therapie auf die Erreichung eines bestimmten Bildungsziels i. S. der §§ 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 12, 12 Nr. 1 EinglHV gerichtet ist, sondern zu einem allgemein selbständigen Leben im Alltag beitragen soll, so ist der angegangene Leistungsträger zur Bewilligung von Leistungen der Petö-Therapie als Leistung der Eingliederungshilfe in Gestalt von Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung nicht verpflichtet.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 04.03.2020; Aktenzeichen B 8 SO 61/19 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11.05.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Erstattung der Kosten für eine konduktive Therapie nach Petõ in Form von drei Blocktherapien.

Der in der 27. Schwangerschaftswoche am 00.00.2002 frühgeborene Kläger leidet an einer beinbetonten spastischen bilateralen Cerebralparese (ICD-10-GM: G80.1) sowie einer Residualepilepsie (G40.9). Es sind ein GdB von 80 sowie die Merkzeichen G, B, aG und H festgestellt und es besteht eine Einstufung in Pflegestufe I [Stand: 2014, aktuell Pflegegrad 2]. Der Kläger lebt zusammen mit seinen aus Russland stammenden, nicht verheirateten Eltern, die das gemeinsame Sorgerecht besitzen, und einer jüngeren, gesunden Schwester (geb. 2008).

Der Kläger besuchte zunächst eine Förderschule und wechselte während des zweiten Schuljahres auf eine Regelgrundschule. Ab dem Schuljahr 2013/2014 besuchte er dann - ebenfalls ohne Inanspruchnahme eines Integrationshelfers - eine Regelrealschule mit gutem bis durchschnittlichem Erfolg. Bis zu den Sommerferien befand er sich dort in der 10. Klasse.

Zu Lasten der AOK erhält der Kläger zweimal wöchentlich Physiotherapie sowie einmal wöchentlich Ergotherapie. Während seiner stationären Rehabilitationsaufenthalte in der HELIOS-Klinik I, C, in den Jahren 2010, 2012 und 2013 lernten der Kläger und seine Eltern die konduktive Therapie nach Petö kennen. Der Kläger beantragte am 22.08.2014 bei der AOK erstmals die Gewährung bzw. Übernahme der Kosten dieser Therapie. Er fügte eine Notwendigkeitsbescheinigung des Sozialpädiatrischen Zentrums des Evangelischen Krankenhauses P (EKO) vom 19.08.2014 bei, die die Kostenübernahme für eine 2 und eine 4 Wochen dauernde Petõ-Blocktherapie (ohne Angabe eines Behandlungszeitraumes) enthielt. Die Krankenkasse lehnte den Antrag mit Bescheid vom 25.08.2014 ab. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne die geplante Therapie nicht als Vertragsleistung der gesetzlichen Krankenkassen anerkannt werden.

Daraufhin stellte der Kläger am 16.09.2014 bei dem Beklagten einen Antrag. Er fügte einen Kostenvoranschlag des Zentrums für Konduktive Therapie P bei, wonach für eine Intensivblocktherapie von 20 Behandlungstagen Kosten i.H.v. 2.908,20 Euro und sodann 84,02 Euro wöchentlich für eine laufende Therapie einmal pro Woche entstünden. Ferner legte er eine Stellungnahme des Sozialpädiatrischen Zentrums des EKO vom 04.09.2014 vor, worin ihm empfohlen wurde, in den kommenden 12 Monaten zwei Petõ-Blocktherapien, von denen eine 2 und eine 4 Wochen dauern sollte, durchzuführen. Er sei aufgrund seiner guten intellektuellen Fähigkeiten und seiner hohen Motivation in besonderem Maße für eine Therapie nach Petõ geeignet, "Ziele wären eine Verbesserung des freien Laufens und eine Erhöhung der Belastbarkeit". Es würden Fortschritte erhofft, "die auch den Schulalltag erleichterten und so maßgeblich auch eine angemessene Schu...

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