Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufsichtsrecht. Krankenversicherung. Zusammenschluss von Krankenkassen und einer ihrer Verbände zur Durchführung der Disease-Management-Programme in Form einer als Aktiengesellschaft (AG) geführten Arbeitsgemeinschaft. Vorlage- und Auskunftspflicht nicht durch Verschwiegenheitspflicht des Vorstands und Aufsichtsrats ausgeschlossen oder eingeschränkt. sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit des Übergangs von der Anfechtungs- zur Fortsetzungsfeststellungsklage

 

Orientierungssatz

1. Die Vorlage- und Auskunftspflicht (§ 94 Abs 2 SGB 10 iVm § 88 SGB 4) einer in Form der Aktiengesellschaft (AG) geführten Arbeitsgemeinschaft iSd § 94 Abs 1a SGB 10 (hier: Zusammenschluss von Krankenkassen und einer ihrer Verbände mit der Zweckbestimmung, für die Aktionäre die Durchführung der Disease-Management-Programme zu übernehmen) ist nicht durch die dem Vorstand und Aufsichtsrat der AG nach §§ 93, 116 AktG obliegende Verschwiegenheitspflicht ausgeschlossen oder eingeschränkt.

2. Zur Zulässigkeit des Übergangs von der Anfechtungs- zur Fortsetzungsfeststellungsklage (vgl ua BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 14/04 R).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 08.10.2019; Aktenzeichen B 1 A 1/19 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer aufsichtsrechtlichen Maßnahme.

Die Klägerin ist eine bundesunmittelbare Krankenkasse. Die Beklagte ist die Trägerin ihrer Aufsichtsbehörde, des Bundesversicherungsamts (BVA).

Die Klägerin gründete zunächst zusammen mit dem Bundesverband der Betriebskrankenkassen, anderen Betriebskrankenkassen und der Rechtsvorgängerin der heutigen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See die beigeladene Aktiengesellschaft (AG), die für die Aktionäre die Durchführung der strukturierten Behandlungsprogramme, der sog. Disease-Management-Programme (DMP), übernimmt. Das BVA erachtete die Satzung der Beigeladenen zunächst für nicht genehmigungsfähig, weil u.a. die Prüfrechte der Aufsichtsbehörde nicht berücksichtigt worden seien. Eine durch die Hauptversammlung der Beigeladenen beschlossene "Richtlinie für den Vorstand zur Erteilung von Auskünften gegenüber den Aktionären bei Anfragen der zuständigen Aufsichtsbehörden" ("Richtlinie für den Vorstand") war nach Auffassung des BVA nicht ausreichend, die darin vorgesehene Beschränkung der Auskunftserteilung zu weitgehend. Da das gesetzlich vorgesehene Aufsichtsrecht gefährdet sei, könne die Beteiligung an der Beigeladenen unter diesen Bedingungen nicht genehmigt werden (u.a. Schreiben der Beklagten vom 02.01.2004 an den Bundesverband der Betriebskrankenkassen).

Nach dem Gesprächsvermerk des Vorstands der Beigeladenen vom 16.09.2004 über ein Gespräch vom 08.09.2004 u.a. mit dem Vizepräsidenten des BVA vereinbarten die Gesprächsteilnehmer, dass die vom Aufsichtsrat der Beigeladenen beschlossene Richtlinie "im Sinne der Wünsche des BVA geringfügig verändert" werde. Die neue Fassung sollte vom Rechtsbeistand der Beigeladenen mit dem Referatsleiter des BVA abgestimmt und anschließend vom Aufsichtsrat beschlossen werden. Gesellschafter der Beigeladenen sollten nur gesetzliche Krankenkassen und deren Verbände werden können. Damit seien die Bedenken der Beklagten zur Einschränkung der Auskunftserteilung ausgeräumt. Auch nach dem Vermerk des an dem Gespräch teilnehmenden Referatsleiters vom 16.09.2004 wurde in den noch streitigen Punkten eine Einigung erzielt. Der nunmehr vom Vorstand der Beigeladenen vorgelegte Richtlinienentwurf entspreche den in der Besprechung erzielten Ergebnissen.

Mit Schreiben vom 07.10.2004 wies das BVA die Klägerin darauf hin, dass sie eine Genehmigung der Beteiligung an der Beigeladenen bisher nicht beantragt habe und eine solche nicht erteilt sei. Am 14.10.2004 beschloss der Aufsichtsrat der Beigeladenen eine Änderung der "Richtlinie für den Vorstand".

Das BVA wies die Beigeladene auf die nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.11.2005 - B 2 U 14/04 R - bestehende Aufsichtspflicht, auf die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens gegenüber der Gesellschaft und auf entsprechende Satzungsbestimmungen anderer Aktiengesellschaften hin (Schreiben vom 29.06.2009). Die Satzung der Beigeladenen sei zu überarbeiten und zur Abstimmung vorzulegen. Weiter rügte das BVA, dass nach § 85 Abs. 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) anzeigepflichtige Beteiligungen der Beigeladenen nicht angezeigt worden seien. Die Beigeladene bzw. die Aktionäre wurden aufgefordert, entsprechende Unterlagen sowie eine aktuelle Aktionärsliste nebst Angabe der jeweiligen Anteile vorzulegen.

Außerdem wurde bemängelt, dass unter Verstoß gegen § 25 Abs. 1 Nr. 2 Verordnung über das Haushaltswesen in der Sozialversicherung (SVHV) kein Jahresabschluss nach §§ 264 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) aufgestellt worden sei. Mit weiterem Schreiben vom 10.12.2009 an die Beigeladene, die Klägerin und die übrigen Aktionäre, die bundesunmittelbare Krankenkassen sind, vertr...

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