Entscheidungsstichwort (Thema)

Künstlersozialversicherung. Versicherungsfreiheit. erwerbsmäßige Ausübung einer selbstständigen ehrenamtlichen Tätigkeit. Ratsmitglied. Fraktionsvorsitzende. Mandatsträgerin. Aufwandsentschädigung. Verdienstausfall. Verfassungsmäßigkeit. Vereinbarkeit mit § 44 Abs 1 GemO NW

 

Orientierungssatz

1. Eine Tätigkeit wird erwerbsmäßig ausgeübt, wenn sie auch dem Lebensunterhalt dient. Die Einkünfte von Ratsmitgliedern nach der GemO NW sind gem. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG Einkünfte aus einer "sonstigen selbständigen Tätigkeit", auch wenn die Gewinnerzielung nur ein Nebenzweck ist und gegenüber dem politischen Auftrag in den Hintergrund tritt (vgl BFH vom 8.8.1996 -XI B 187/95- und vom 3.12.1987 - IV R 41/85 = BFHE 151, 446; FG Köln vom 2.9.2005 -5 K 1290/05). Dieser Maßstab ist auch bei der Beurteilung der Erwerbsmäßigkeit i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 5 KSVG zu Grunde zu legen.

2. Der Verlust der sozialen Absicherung nach dem KSVG bei erwerbsmäßiger Ausübung einer selbstständigen ehrenamtlichen Tätigkeit (politische Mandatsträgerin) mit Anspruch auf Verdienstausfall, Aufwandsentschädigung und Sitzungsgeld nach der GemO NW ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art 3 Abs 1 GG vereinbar und verstößt auch nicht gegen § 44 Abs 1 GemO NW.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.02.2016; Aktenzeichen B 3 KS 1/15 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 4.2.2012 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Versicherungspflicht der Klägerin in der Kranken- und Pflegeversicherung im Rahmen der Künstlersozialversicherung (KSV) über den 30.6.2010 hinaus.

Die 1957 geborene Klägerin wurde von der Beklagten wegen ihrer Tätigkeit als freiberufliche Journalistin und Lektorin ab dem 1.6.1988 in alle Zweige der KSV aufgenommen (Feststellungsbescheid vom 5.12.1988).

Die Klägerin ist ehrenamtliches Mitglied des Rates der Stadt E und wurde im Oktober 2007 Fraktionsvorsitzende von C. In diesen Eigenschaften erhielt sie u.a. Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgelder und Verdienstausfall nach der Gemeindeordnung (GemO NW). Der Verdienstausfall für die Teilnahme an den Rats- und Ausschusssitzungen wurde anhand des Einkommens des Vorjahres berechnet. Die Klägerin erhielt in der Regel den Höchstsatz von 30 Euro. Den auf ihr Konto gezahlten Verdienstausfall behielt die Klägerin ein. Die Sitzungsgelder und Aufwandsentschädigungen wurden ebenfalls auf das Konto der Klägerin überwiesen. Die Klägerin spendete entsprechend der Beitrags- und Kassenordnung des Kreisverbandes C alle diesbezüglichen - einen Betrag von 350 Euro übersteigenden - Zahlungen an die Parteikasse.

Die Klägerin erhielt in den Jahren 2004 bis 2010 Verdienstausfall in folgender Höhe:

2004 = 15.553,20 Euro

2005 = 7.560,- Euro

2006 = 7.230,- Euro

2007 = 10.050,- Euro

10/2007 bis 12/2008 = 14.797,59 Euro

2009 = 14.797,50 Euro

10/2009 bis 7/2010 = 11.555,10 Euro

Daneben bekam sie Aufwandsentschädigungen (a) und Sitzungsgelder (b):

2005 a) 4.824,- Euro b) 1.881,- Euro

2006 a) 4.824,- Euro b) 1.930,50 Euro

2007 a) 5.898,- Euro b) 2.165,- Euro

2008 a) 10.980,- Euro b) 3.424,- Euro

2009 a) 11.013,- Euro b) 3.774,- Euro

2010 a) 11.278,- Euro b) 3.234,80 Euro

Sowohl beim Verdienstausfall als auch bei den Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern unterlag jeweils der steuerpflichtige Betrag als "Einnahme aus sonstiger selbständiger Tätigkeit" der Einkommensteuer.

Das Jahreseinkommen der Klägerin betrug ausweislich der Einkommensteuerbescheide:

a) von 2004 bis 2007

Jahreseinkommen aus selbständiger künstlerischer / publizistischer Tätigkeit in Euro

2004 = 37.676,-

2005 = 31.894,-

2006 = 25.256,-

2007 = 27.183,-

2008 = 27.857,-

Jahreseinkommen aus selbständiger nicht künstlerischer/ nicht publizistischer Tätigkeit in Euro

2004 = 8.190,-

2005 = 680,-

2006 = 2.006,-

2007 = 11.050,-

2008 = 10.090,-

b) 2009 und 2010

Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit insgesamt:

2009 = 26.130,- Euro

2010 = 35.130,- Euro

Die Beklagte stellte nach Anhörung das Ende der Versicherungspflicht und Zuschussberechtigung nach dem KSVG (Künstlersozialversicherungsgesetz) in der Kranken- und Pflegeversicherung zum 30.6.2010 fest. Da die Klägerin nicht mehr nur geringfügige, regelmäßig unterhalb von 400 Euro monatlich liegende Einkünfte im Sinne des § 8 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) aus einer nicht künstlerischen/ nicht publizistischen selbständigen Tätigkeit erziele, sei sie nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Abs. 2 Nr. 1 KSVG in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versicherungsfrei. Die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung bleibe bestehen, da das nicht künstlerisch/ publizistisch erzielte Arbeitseinkommen nicht die Hälfte der geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung erreiche (Bescheid vom 25.6.2010).

Mit ihrem Widerspruch wies die Klägerin daraufhin, sie habe in all den Jahren durch die Spenden an die Parteikasse Aufwandsentschädigu...

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