Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Leistungsklage. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Kostenerstattungsanspruch bei Aufenthalt im Frauenhaus. keine Erstattung von Kosten für die Erstausstattung einer neuen Wohnung nach Verlassen des Frauenhauses. Zuständigkeit des kommunalen Trägers am neuen Wohnort

 

Orientierungssatz

1. Die auf Erstattung nach § 36a SGB 2 gerichtete Klage stellt eine echte Leistungsklage iS des § 54 Abs 5 SGG dar. Es handelt sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem ein Verwaltungsakt des Beklagten gegen den Kläger nicht ergehen muss. Deshalb ist weder ein Vorverfahren durchzuführen noch eine Klagefrist einzuhalten (vgl BSG vom 17.5.2000 - B 3 KR 33/99 R = BSGE 86, 166 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1).

2. Bei den Kosten für die Erstausstattung einer neuen Wohnung nach Verlassen eines Frauenhauses handelt es sich nicht um Kosten, die iS des § 36a SGB 2 "für die Zeit des Aufenthaltes im Frauenhaus" bzw aufgrund der Zufluchtnahme im Frauenhaus entstanden sind.

3. Der Erstattungsanspruch des § 36a SGB 2 soll die finanziellen Mehrbelastungen der kommunalen Träger mit Frauenhäusern in ihrem Gebiet ausgleichen und letztlich verhindern, dass Frauen aus anderen Regionen wegen der ungeklärten Finanzierung abgewiesen werden. Der erstattungspflichtige Leistungsträger soll im Ergebnis nicht besser gestellt werden, als er stünde, wenn er die Hilfebedürftige in ein von ihm selbst betriebenes Frauenhaus aufnähme (vgl LSG Essen vom 23.2.2010 - L 1 AS 36/09 = NDV-RD 2011, 10).

4. Wird durch den Umzug in eine neue Wohnung im Anschluss an einen Aufenthalt in einem Frauenhaus ein (neuer) gewöhnlicher Aufenthalt begründet, ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des kommunalen Trägers für Leistungen nach § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2 bereits aus § 36 S 2 SGB 2, soweit die auszustattende Wohnung in seinem Zuständigkeitsbereich liegt (vgl SG Dortmund vom 9.3.2011 - S 57 (37) AS 129/09).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.05.2012; Aktenzeichen B 14 AS 156/11 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22.06.2010 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert für das Verfahren wird auf 1.373,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die beteiligten Jobcenter streiten um die Erstattung von Leistungen für die Erstausstattung einer Wohnung auf der Grundlage von § 36a des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Die 1984 geborene Leistungsempfängerin O L verließ nach der Trennung von ihrem Lebensgefährten am 13.02.2007 mit ihren beiden Kindern die bisherige gemeinsame Wohnung in F/S-Kreis und suchte noch am gleichen Tage Zuflucht im Frauenhaus des S-Kreises in B. Dort beantragte sie bei dem Kläger am 26.04.2007 die Übernahme von Kosten für die Erstausstattung einer neuen, nach dem Auszug aus dem Frauenhaus zu beziehenden Wohnung. Mit Bescheid vom 30.04.2007 bewilligte der Kläger Frau L auf ihren Antrag hin einen Betrag von insgesamt 1.373,00 Euro. Am 06.05.2007 verließ Frau L das Frauenhaus und zog in die ebenfalls in B gelegene Wohnung um.

Am 20.07.2007 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten die Erstattung der Frau L und ihren Kindern während der Zeit des Aufenthaltes im Frauenhaus gewährten Leistungen in Höhe von insgesamt 3.513,20 Euro auf der Grundlage von § 36a SGB II geltend. Dieser Betrag setzte sich im Einzelnen aus den durch die Unterbringung im Frauenhaus selbst entstandenen Kosten in Höhe von 2.140,20 Euro sowie den Kosten für die Erstausstattung der neuen Wohnung in Höhe von 1.373,00 Euro zusammen.

Mit einem mit der Überschrift "Ablehnung der Erstattung für die Beihilfe der Erstausstattung" versehenen Schreiben vom 03.08.2007 lehnte der Beklagte die Erstattung der von dem Kläger gewährten Leistungen für die Erstausstattung ab. Zur Begründung verwies er darauf, dass die Erstausstattungsbeihilfe nicht zu den ursprünglichen Kosten des Frauenhauses zähle, auch wenn sie während des Frauenhausaufenthaltes geleistet worden sei. Gegen diesen "Bescheid" könne innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Mit einem weiteren Schreiben vom gleichen Tage teilte der Beklagte dem Kläger darüber hinaus mit, dass er die übrigen durch den Aufenthalt im Frauenhaus entstandenen Kosten der Unterkunft unter Abzug von 31,2 % für den Bundeszuschuss zu den kommunalen Leistungen zum Gesamtbetrag in Höhe von 1.472,46 Euro zur Auszahlung gebracht habe.

Mit Schreiben vom 29.08.2007 legte der Kläger gegen die Ablehnung der Erstattung der Erstausstattungskosten vorsorglich Widerspruch ein. Des Weiteren wies der Kläger unter Bezugnahme auf den Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28.11.2007 darauf hin, dass er auch den Abzug des Bundeszuschusses in Höhe von 31,2 % von den geltend gemachten Kosten der Unterkunft nicht hinnehmen werde. Die Meldung der Kosten für Unterkunft und Heizung zur Bundesbet...

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