Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflicht zur Verwertung vorhandenen Vermögens bei beantragter Sozialhilfe

 

Orientierungssatz

1. Die Sozialhilfe soll nach § 91 Abs. 1 SGB 12 als Darlehen geleistet werden, soweit nach § 90 SGB 12 für den Bedarf der nachfragenden Person Vermögen einzusetzen ist, jedoch der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich ist oder für die Person, die es einzusetzen hat, eine Härte bedeuten würde.

2. Die Sozialhilfe darf nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB 12 nicht abhängig gemacht werden von der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den in § 19 Abs. 1 bis 3 SGB 12 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll.

3. Die Einsatzpflicht von Grundvermögen, das nicht dem Schutz des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB 12 unterfällt, nimmt Rücksicht auf die Interessen der Allgemeinheit, aus deren Steueraufkommen die Sozialhilfe finanziert werden muss. Diese Interessen können nicht durch den Willen eines Erblassers zum Erhalt eines Vermögensgegenstandes für die Erben unterlaufen werden.

4. Nach § 90 Abs. 1 SGB 12 ist das vorhandene Vermögen zur Deckung des Bedarfs einzusetzen, bevor es zu Leistungen der Sozialhilfe kommen kann.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 07.03.2017; Aktenzeichen B 8 SO 73/16 B)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.05.2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat den Klägern in beiden Rechtszügen ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob die den Klägern im Zeitraum vom 01.03.2007 bis 31.08.2007 darlehensweise erbrachten Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII als Zuschuss zu gewähren sind.

Die 1935 geborene Klägerin zu 1 und ihr Ehemann, der 1928 geborene Kläger zu 2, bewohnen das Hausgrundstück B-straße 00 in N, das im Alleineigentum der Klägerin steht. Sie beziehen jeweils eine Altersrente, deren monatliche Auszahlungsbeträge sich im streitigen Zeitraum bei der Klägerin auf 182,84 EUR und bei dem Kläger auf 266,43 EUR beliefen.

Die Klägerin und ihre Mutter als damalige Eigentümerin des Grundstücks B-straße 00 hatten bereits im Jahr 1980 einen Erbvertrag geschlossen (Urkunde des Notars Dr. T vom 08.09.1980). Darin wurde die Klägerin zur (alleinigen) befreiten Vorerbin nach ihrer Mutter berufen; Nacherben sind die sechs gemeinsamen Kinder der Kläger. Der Kläger wurde für den Fall eines Versterbens der Klägerin vor ihrer Mutter zum nicht befreiten Ersatzerben berufen. Außerdem vermachte die Mutter dem Kläger bei Eintritt der Nacherbfolge ein Nießbrauchsrecht an dem Grundstück. Die Mutter der Klägerin verstarb im Jahr 1989, worauf die Klägerin am 07.12.1989 als Alleineigentümerin ins Grundbuch eingetragen wurde.

Die Kläger bezogen bereits vor 2003 Leistungen nach dem BSHG, die ihnen im Hinblick auf die Immobilie als Darlehen gewährt wurden. Zugunsten der Beklagten wurde als Sicherheit insoweit eine Grundschuld über 15.000 DM zzgl. Zinsen im Grundbuch eingetragen. Ab dem 01.01.2005 gewährte die Beklagte den Klägern Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII.

Die Weitergewährung der Leistungen ab Juli 2006 lehnte die Beklagte unter Verweis auf verwertbares Vermögen in Form des Hausgrundstücks zunächst ab. Im Rahmen eines hierauf angestrengten Eilverfahrens vor dem SG Düsseldorf (S 43 SO 20/06 ER), in dem die Kläger angaben, die noch bestehenden Belastungen des Hauses übernehme mit 230 EUR monatlich faktisch die Tochter Q als Mieterin, erklärte sich die Beklagte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, den Klägern bis Ende September 2006 Leistungen als Darlehen zu gewähren (Bescheid vom 01.09.2006). In einem weiteren Eilverfahren (S 43 SO 30/06 ER) erklärte sich die Beklagte wiederum ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, den Klägern weiter bis Ende November 2006 Leistungen als Darlehen zu gewähren. Zugleich forderte die Beklagte die Kläger auf, detaillierte Angaben zu dem Objekt und den Einnahmen durch eine Vermietung an die Tochter zu machen. Nachdem weitere Unterlagen hierzu auch nach Erinnerung und Anhörung zu einer Leistungseinstellung nicht vorgelegt worden waren, stellte die Beklagte die Leistungen ab Dezember 2006 vorläufig ein (Bescheid vom 22.11.2006).

Einen von ihr ausgefüllten Fragebogen zu der Immobilie legte die Klägerin am 29.01.2007 bei der Beklagten vor. Darin gab sie an, die Gesamtwohnfläche des Hauses liege bei 138,25 qm, wovon die selbst bewohnte Wohnung eine Fläche von 69,55 qm habe. Eine weitere Wohnung mit einer Fläche von 49,39 qm sei an die Tochter Q vermietet; die Miete betrage jährlich ohne Nebenkosten 3.060 EUR. Mietzahlungen seien allerdings erst nach der Sanierung zu leisten; derzeit sei die Wohnung ohne Heizung. Außerdem sei noch ein "Leerzimmer" mit 19,31 qm für die Übernachtung der Kinder vorh...

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