Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Facharzt für Urologie sowie physikalische und rehabilitative Medizin. Tätigkeit als Stationsarzt auf der Basis von Honorararztverträgen in der neurologischen Station eines Krankenhauses. Eingliederung in Arbeits- und Organisationsstrukturen des Krankenhauses. Bereitschaftsdienst. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung. Sorgfaltsmaßstab im Rahmen von § 24 Abs 2 SGB 4

 

Orientierungssatz

1. Zur Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung bei einem als Honorararzt tätigen Facharzt für Urologie sowie physikalische und rehabilitative Medizin, der als Stationsarzt auf der Basis von Honorararztverträgen in der neurologischen Station eines Krankenhauses tätig ist und dort auch Bereitschaftsdienste übernimmt.

2. Die Frage, welcher Sorgfaltsmaßstab im Rahmen von § 24 Abs 2 SGB 4 anzulegen ist, ist zu beantworten zum einen ausgehend von dem dort verwendeten Begriff der "Kenntnis", also des sicheren Wissens um die Verpflichtung der Beitragszahlung, und zum anderen der Funktion der Säumniszuschläge, ua Druck auf den Arbeitgeber zur Erfüllung seiner Zahlungspflichten auszuüben (vgl LSG Essen vom 31.8.2009 - L 8 B 11/09 R = juris). Ausgehend davon, kann es weder vorwerfbar sein noch die Ausübung von Zahlungsdruck rechtfertigen, wenn sich der Arbeitgeber bei einer höchst- und obergerichtlich nicht geklärten Rechtsfrage einer seriös vertretenen Rechtsauffassung anschließt und auf diesem Wege zur Annahme von Versicherungsfreiheit gelangt, auch wenn diese sich im Nachhinein als unzutreffend herausstellt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.06.2019; Aktenzeichen B 12 R 22/18 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20.02.2015 teilweise geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 13.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2013 wird hinsichtlich der auf den Beigeladenen zu 1) entfallenden Säumniszuschläge aufgehoben.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen die Klägerin zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6, jeweils mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig bis zum 18.04.2016 auf 19.093,25 EUR und ab dem 19.04.2016 auf 1.610,28 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Betriebsprüfungsbescheides der Beklagten.

Die Klägerin ist Trägerin des St. K-Hospitals B, vormals firmierend unter Katholisches Krankenhaus St. K-Hospital. Es handelt sich um ein Krankenhaus der Grundversorgung mit 244 Betten und den Fachabteilungen Geriatrie, Innere Medizin, Neurologie und Psychiatrie, Radiologie sowie Nuklearmedizin. Die Abteilung für Neurologie verfügt über 44 Betten inklusive zwei Betten im Rahmen einer Stroke-Unit.

Die Klägerin deckte in den Jahren 2009 bis 2011 ihren ärztlichen Personalbedarf u.a. über Honorarkräfte. Zu diesem Zweck schloss sie mit der T German Medicine Net (GMN) mit Sitz in Nizza einen Vermittlungsvertrag, der nicht mehr vorgelegt werden kann. Die Klägerin hat aber einen Mustervertrag überreicht, der ihren Angaben nach dem u.a. zur Vermittlung des Beigeladenen zu 1) geschlossenen Vermittlungsvertrag entspricht und auf den Bezug genommen wird. Einzelheiten der jeweiligen Einsätze wurden durch Anlage 1 zu dem Vertrag geregelt. Diese Anlagen hat die Klägerin bezogen auf den Beigeladenen zu 1) nur hinsichtlich der Vertragszeiträume 30.11.2009 bis zum 22.1.2010 (mit Verlängerungsoption) und 1.3. bis 31.3.2010 vorlegen können. Aus ihnen folgt der Einsatzort "Neurologische Abteilung" der Klinik. Ort, Zeit und Kontaktperson waren danach bei Ankunft mit Frau H, der Leiterin der Personalabteilung, zu besprechen. Die tägliche Arbeitszeit belief sich von montags bis freitags von 8:00 Uhr bis 16:30 Uhr. Es wurden Stundenhonorare für Tagdienste in Höhe von 75,00 EUR sowie für Bereitschaftsdienste von 48,75 EUR sowie freie Unterkunft und Versicherung vereinbart. Im Übrigen wird auf die Anlagen 1 Bezug genommen.

Der am 00.00.1948 geborene Beigeladene zu 1) ist Facharzt für Urologie sowie physikalische und rehabilitative Medizin mit den Zusatzbezeichnungen Chirotherapie, Rehabilitationswesen und Sportmedizin. Er schloss mit der Klägerin jeweils Honorarverträge (HV) für seine Tätigkeit in den streitgegenständlichen Zeiträumen vom 30.11.2009 bis 22.1.2010, 1.3. bis 31.3.2010, 3.5. bis 28.5.2010 (HV v. 13.4.2010), verlängert bis 29.5.2010 (Vertrag v. 17.5.2010), 5.6. bis 30.6.2010 (HV v. 25.5.2010), 19.7. bis 31.8.2010 (HV v. 18.6.2010), 23.3. bis 30.4.2010, durch den Beigeladenen zu 1) vorzeitig gekündigt zum 27.4.2011 (HV v. 15.3.2011), außerdem für die nicht vom angegriffenen Bescheid umfassten Vertragszeiträume vom 12.9. bis 10.10.2010 (HV v. 11.8.2010) und vom 11.10. bis 7.11.2010 (HV v. 16.10.2010). Exemplarisch für die Zeit vom 3.5. bis 28.5.2010 wurden im HV fol...

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