Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschränkung der gerichtlichen Prüfungskompetenz aufgrund eines dem Rechtsstreit vorgehenden Urteils. Bescheidungsurteil. Streitgegenstand. Rechtskraft. Bindungswirkung. Anhörung

 

Orientierungssatz

Rechtskräftige Urteile binden die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Die Bindungswirkung erfasst alle Rechtsauffassungen, die das Gericht der Behörde bei Erlass des neuen Verwaltungsaktes zur Beachtung vorschreibt. In einem neuen Klageverfahren ist deshalb nur die Rechtmäßigkeit des in Ausführung des Bescheidungsurteils ergangenen Bescheides hinsichtlich der noch nicht bestandskräftigen Fragen zu überprüfen.

 

Normenkette

SGG § 141 Abs. 1 Nr. 1; SGB X § 42 S. 1

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.03.2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Zuerkennung eines individuellen Punktzahlengrenzwerts.

Nach § 7 des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) der Beklagten in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung waren bis zum Quartal III/1999 Kürzungen wegen übermäßiger Ausdehnung der Kassenpraxis bei Überschreitung von Punktzahlengrenzwerten vorgesehen. Die Fachgruppe der Nervenärzte war bis zum Quartal IV/1995 in 2 Gruppen mit Punktzahlengrenzwerten - Nervenärzte ohne bzw. mit CT - unterteilt; ab dem Quartal IV/1995 wurden 9 Untergruppen ausgewiesen. Nach § 7 Abs. 7 HVM konnte der Vorstand der Beklagten auf Antrag des Arztes nach Anhörung des HVM-Ausschusses Ausnahmen zulassen und einen von der Fachgruppe abweichenden, angemessenen individuellen Punktzahlengrenzwert festlegen, wenn der Vertragsarzt regelmäßig ein von der Fachgruppentypik wesentlich abweichendes Leistungsspektrum erbracht hat und hierdurch der Fachgruppengrenzwert überschritten wurde.

Die Klägerin, eine aus Ärzten für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie bestehende Gemeinschaftspraxis, beantragte unter dem 30.01.1995 - unter Bezugnahme auf einen früheren Antrag vom 10.03.1994 - die Festsetzung einer individuellen Punktzahlobergrenze mit dem Vorbringen, sie erbringe als fachgruppenuntypische Leistungen in dem Bereich der Neurophysiologie, Elektromyographie, Elektroneurographie, Elektroencephalographie, akustisch, visuell, somatosensibel, magnetisch evozierte Potentiale, Sympathic Skin Response sowie ferner extra- und transkranielle Dopplersonographie, Frequenzspektrumanalyse, Neuroradiologie, Labordiagnostik, Zytologie, Liquordiagnostik, Elektronystagmographie, Infusionstherapie, Psychotherapie und psychologische Testdiagnostik.

Nach Anhörung des HVM-Ausschuss lehnte die Beklagte den Antrag ab (Bescheid vom 27.11.1995, Widerspruchsbescheid vom 28.03.1996): Ein fachgruppenuntypisches Leistungsspektrum liege in Anlehnung an § 7 Abs. 6 HVM dann vor, wenn der Anteil der vom Arzt beantragten und vom Vorstand der Beklagten anerkannten Leistungsbesonderheiten gemessen an der Gesamtleistung in mindestens vier aufeinanderfolgenden Quartalen mehr als 50 % betrage. Dies werde durch Gegenüberstellung des Anteils der beantragten und anerkannten Leistungsbesonderheiten mit der in dem betreffenden Quartal abgerechneten Gesamtpunktzahl Vertragskassen ermittelt. Danach betrage der Anteil der von den Klägern beantragten Leistungsbesonderheiten - ungeachtet der Anerkennung als fachgruppenuntypisch - im I. Quartal 1994 48,65 %, im II. Quartal 1994 50,20 %, im III. Quartal 1994 48,95 %, im IV. Quartal 1994 49,86 % und im I. Quartal 1995 48,62 %. Unter Außerachtlassung der darin enthaltenen fachgruppentypischen Leistungen (wie z.B. Nr. 250, 271, 305 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM)) sowie der fachfremden Leistungen (wie z.B. Nr. 600 EBM) verringere sich der prozentuale Anteil weiter. Im Übrigen basiere die Überschreitung der Punktzahlengrenze im Wesentlichen auf der Ausweitung von fachgruppentypischen Leistungen (wie z.B. Nr. 802, 804, 820 und 847 EBM), die im Rahmen des § 7 Abs. 7 HVM keine Berücksichtigung finden könne.

Mit dagegen erhobener Klage hat die Klägerin u.a. vorgetragen, die Beklagte habe die Regelungen des § 7 Abs. 7 HVM fehlerhaft interpretiert; es werde nicht auf § 7 Abs. 6 HVM verwiesen, so dass für ein wesentlich abweichendes Leistungsspektrum kein Anteil von 50 % gefordert werden könne. Im Übrigen ergebe sich bei Berücksichtigung der Laborleistungen eine Überschreitung der 50 %-Grenze. Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Beklagte zur Neubescheidung verurteilt (Urteil vom 26.06.1996 - S 2 Ka 67/96 -): Die Entscheidung der Beklagten sei insoweit rechtmäßig, als sie die Voraussetzungen des § 7 Abs. 7 HVM dann als erfüllt ansehe, wenn die 50%-Quote in mindestens vier aufeinanderfolgenden Quartalen überschritten werde. Rechtsfehler lägen jedoch vor, weil die Beklagte die Nichtberücksichtigung der als Besonderheit reklamierten Laborleistungen nicht begründet habe und auch ansonsten nicht ersichtlich sei, unter welchen Voraussetzungen sie ...

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