Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung: Beitragspflicht bei Einsatz eines Nachunternehmers. Beitragshaftung des Auftraggebers. Anforderung an den Nachweis des fehlenden eigenen Verschuldens des Auftraggebers an der Zahlungspflichtverletzung des Nachunternehmers. Wegfall der Haftung bei Vorlage einer qualifizierten Unbedenklichkeitsbescheinigung. Anforderung an Übergabezeitpunkt und Inhalt einer qualifizierten Unbedenklichkeitsbescheinigung als Grundlage einer Haftungsbegrenzung

 

Orientierungssatz

1. Die Haftung eines Auftraggebers für Beitragspflichten zur gesetzlichen Unfallversicherung eines Nachunternehmers entfällt, wenn der Auftraggeber eine qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Unfallversicherungsträgers vorlegen kann. Dabei kommt es für den Wegfall der Einstandspflicht nicht darauf an, ob ihm diese Bescheinigung bereits bei Auftragserteilung vorgelegen hat. Vielmehr findet eine Haftungseinschränkung auch dann statt, wenn die Unbedenklichkeitsbescheinigung jedenfalls im Zeitpunkt des Beginns der Ausführung des Auftrags vorlag.

2. Die Wirksamkeit einer qualifizierten Unbedenklichkeitsbescheinigung hängt nicht davon ab, dass in dieser eine bestimmte Lohnsumme ausgewiesen ist. Auch eine mit einer Lohnsumme von 0,00 Euro ausgefertigte qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigung ist zum Wegfall der Haftung des Auftraggebers gegenüber Beitragspflichten eines Nachunternehmers geeignet.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 18.05.2017; Aktenzeichen B 2 U 257/16 B)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.02.2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.354,51 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides. Die Beklagte nimmt die Klägerin als Auftraggeberin nach § 150 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) für Beitragsrückstände zur gesetzlichen Unfallversicherung ihres Nachunternehmers S (S) in Höhe von 10.354,51 EUR in Haftung.

Mit Vertrag vom 16.06.2008 übertrug die Klägerin dem S Bauarbeiten unter Hinweis auf ihre Nachunternehmerhaftung und unter Hinweis auf die entsprechenden Pflichten des S. S bestätigte ausdrücklich, dass er seinen laufenden gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber der Berufsgenossenschaft (BG) in vollem Umfang nachkomme. Erbrachte Leistungen im Zeitraum vom 03.07.2006 bis zum 22.09.2006 stellte S der Klägerin mit Schreiben vom 19.07.2006 bis 26.09.2006 in Rechnung.

Gegen den S leitete das Hauptzollamt L (HZA) im August 2009 ein Verfahren wegen des Veruntreuens von Arbeitsentgelt für den Zeitraum Juni 2006 bis März 2007 ein. Vorenthalten worden seien Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 72.556,30 EUR. Das HZA ging davon aus, dass S vom 19.07.2006 bis zum 15.09.2006 für die Klägerin Bauleistungen in Höhe von 225.878,95 EUR erbracht habe. Entsprechende Belege übersandte das HZA der Beklagten.

Mit Bescheid vom 28.01.2010 forderte die Beklagte von S Beiträge in Höhe von 15.794,76 EUR für das Jahr 2006 nach.

Die Klägerin bestätigte der Beklagten, dass S für sie vom 03.07.2006 bis zum 22.09.2006 als Nachunternehmer tätig geworden sei. Die Nettoauftragssumme betrage 158.761,00 EUR.

Mit Schreiben vom 26.05.2010 hörte die Beklagte die Klägerin zu ihrer Beitragshaftung als Auftraggeberin des S an, weil S seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Beklagten trotz Mahnung nicht nachgekommen sei. Es bestehe Gelegenheit, entsprechende Unbedenklichkeitsbescheinigungen vorzulegen. Hierzu äußerte sich die Klägerin nicht. Alsdann erließ die Beklagte am 23.06.2010 einen Bescheid über die Beitragshaftung der Klägerin als Auftraggeberin, wobei sie die beitragspflichtigen Arbeitsentgelte auf 60 % des Nettoauftragsvolumens schätzte und hieraus einen Haftungsbetrag von 10.354,51 EUR errechnete.

In ihrem hiergegen am 21.07.2010 eingelegten Widerspruch führte die Klägerin aus, ihr hätten zum Zeitpunkt der Auftragserteilung bis zum Auftragsende eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der Beklagten und weitere Bescheinigungen vorgelegen, welche keine Unstimmigkeiten ausgewiesen hätten. Ihrer Ansicht nach sei deshalb ihre Haftung nach § 28e Abs. 3b Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) entfallen. Die Klägerin legte ein Schreiben der Handwerkskammer zu L vor, wonach das Gewerbe des S dort am 29.11.2005 im Verzeichnis der handwerksähnlichen Gewerbe eingetragen wurde. Ferner legte die Klägerin einen von der Beklagten gegenüber S erlassenen Bescheid vom 19.01.2006 vor, in dem sich die Beklagte für das Unternehmen des S ab dem 01.12.2005 zuständig erklärte. Des Weiteren legte die Klägerin eine von der Beklagten dem S am 28.06.2006 erteilte Unbedenklichkeitsbescheinigung vor. Diese Bescheinigung war bis zum 15.09.2006 gültig. An Arbeitsentgelten, die den aktuellen Vorschüssen zugrunde lagen, wies sie 0,00 EUR aus. Die Klägerin legte des Weitere...

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