Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Antragserfordernis. Notwendigkeit eines Folgeantrags für einen neuen Bewilligungsabschnitt. keine Fortwirkung des ursprünglichen Leistungsantrags. Verfassungsmäßigkeit des § 37 SGB 2. Beantragung einer Zustimmung zu einer Ortsabwesenheit, die über den aktuellen Bewilligungsabschnitt hinausgeht. kein Folgeantrag. kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bei Hinweis auf Folgeantragstellung

 

Orientierungssatz

1. Für eine Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 nach Ablauf eines Bewilligungsabschnitts iS des § 41 Abs 1 S 4 SGB 2 ist ein erneuter Leistungsantrag nach § 37 Abs 1 SGB 2 erforderlich (vgl BSG vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R = SozR 4-4200 § 37 Nr 5 und B 4 AS 29/10 R = SozR 4-1200 § 14 Nr 15).

2. Es bestehen keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Antragserfordernis des § 37 SGB 2 aus dem Gesichtspunkt des Zugangs zum verfassungsrechtlich gewährleisteten, menschenwürdigen Existenzminimum nach Art 1 Abs 1 und 20 Abs 1 GG.

3. In der Beantragung einer Zustimmung zu einer geplanten Ortsabwesenheit ist nicht gleichzeitig auch ein Folgeantrag iS des § 37 SGB 2 zu sehen, wenn die Ortsabwesenheit über das Ende des jeweiligen Bewilligungsabschnitts hinaus reicht.

4. Die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch liegen nicht vor, wenn der Hilfebedürftige rechtzeitig auf das Erfordernis der Folgeantragstellung hingewiesen worden ist (vgl LSG Essen vom 17.4.2009 - L 19 B 63/09 AS).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.05.2012; Aktenzeichen B 4 AS 166/11 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 27.05.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 01.10.2008 bis 05.11.2008 streitig.

Die am 00.00.1948 geborene Klägerin ist türkische Staatsbürgerin. Sie bezog bereits ab dem Jahr 2005 Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten. Am 11.01.2007 vereinbarte die Klägerin mit dem Beklagten den Bezug von Arbeitslosengeld II unter erleichterten Voraussetzungen (sog. "58er-Regelung", § 428 des Sozialgesetzbuches - Arbeitsförderung - SGB III). Während des laufenden Leistungsbezuges händigte der Beklagte der Klägerin am 30.08.2007 ein Merkblatt "Wichtige Hinweise und Informationen zu Ihren Pflichten, wenn Sie Leistungen des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II) in Anspruch nehmen" aus. Das Merkblatt enthielt u.a. den Hinweis, dass Leistungen der Grundsicherung für Tage vor Antragstellung nicht bewilligt werden. Die Klägerin bestätigte mit ihrer Unterschrift den Erhalt einer Kopie des Merkblattes.

Mit Bescheid vom 03.03.2007 und Änderungsbescheid vom 21.05.2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum vom 01.04.2008 bis 30.09.2008.

Am 10.07.2008 sprach die Klägerin bei einem Mitarbeiter des Beklagten, dem Zeugen B, wegen der Einholung einer Zustimmung zu einer beabsichtigten Ortsabwesenheit vor. Der Beklagte stimmte einer Ortsabwesenheit der Klägerin vom 17.07.2008 bis 16.10.2008 zu. Am 15.07.2008 sprach die Klägerin erneut beim Zeugen B vor, um die Dauer der Zustimmung zur Ortsabwesenheit ändern zu lassen. An diesem Tag stimmte der Beklagte einer verlängerten Ortsabwesenheit der Klägerin vom 17.07.2008 bis 16.11.2008 zu. Der weitere Inhalt der Gespräche zwischen der Klägerin und dem Zeugen B sind zwischen den Beteiligten streitig.

Ab dem 17.07.2008 befand sich die Klägerin im Rahmen der zugestimmten Ortsabwesenheit in der Türkei. Am 08.08.2008 versandte der Beklagte ein Schreiben an die Klägerin, mit der er an die Stellung eines Weiterbewilligungsantrages für die Zeit nach dem 30.09.2008 erinnerte. Mit weiterem Schreiben des Beklagten vom 06.11.2008 wurde die Erinnerung wiederholt. Am 06.11.2008 meldete sich die Klägerin vorzeitig aus der Ortsabwesenheit zurück und stellte zugleich einen Fortzahlungsantrag.

Mit Bescheid vom 07.11.2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin sodann Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 06.11.2008 bis 30.04.2009.

Am 17.11.2008 sprach die Klägerin in Begleitung einer Übersetzerin, der Zeugin L, erneut bei dem Zeugen B wegen der ausgebliebenen Leistungsgewährung während ihrer Ortsabwesenheit vor.

Mit Schreiben vom 24.11.2008 legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 07.11.2008 Widerspruch ein, soweit ihr keine Leistungen für die Zeit ab 01.10.2008 bewilligt worden waren.

Den Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie sich beim Zeugen B erkundigt habe, ob eine sechswöchige Ortsabwesenheit ohne Konsequenzen bleiben würde, dies sei ihr gegenüber bejaht worden. Auch sei sie nicht über die Notwendigkeit der Stellung eines Folgeantrages und des Ablaufes ihres Alg-Il-Bescheides informiert worden, obwohl sie hiernach gefragt hätte.

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