Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistungsrecht. Anrechnung der Bezugszeiten nach § 2 Abs 1 AsylbLG aF auf § 2 Abs 1 AsylbLG nF. einstweiliger Rechtsschutz. rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer

 

Orientierungssatz

1. Hat ein Asylbewerber bereits erhöhte Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG aF erhalten, so reicht auch diese Bezugszeit zur Auffüllung der 48-Monats-Frist des § 2 Abs 1 AsylbLG nF aus.

2. Zur erstmaligen Geltendmachung der rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer gem § 2 Abs 1 AsylbLG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und fehlenden Feststellungen im Verwaltungsverfahren.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 08.11.2007 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller auch die Kosten im Beschwerdeverfahren zu erstatten. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin E, L-Platz 0, F beigeordnet.

 

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig aber unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller die begehrte Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) im tenorierten Zeitraum auszuzahlen.

Nach § 86b Abs. 2 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund), die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs.2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Können ohne den vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden. Die grundrechtlichen Belange der Antragsteller sind dabei umfassend in die Abwägung einzustellen (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927).

Der Antragsteller hat unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Der Anordnungsanspruch folgt aus § 2 Abs. 1 AsylbLG. Hiernach ist das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) auf diejenigen Leistungsberechtigen nach dem AsylbLG entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten (Gesetzesfassung vor dem 28.08.2007: 36 Monate) Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer ihres Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst haben.

Der Antragsteller hat Leistungen nach § 3 AsylbLG in der Zeit vom 29.11.2001 bis zum 30.11.2004 bezogen. In der Zeit vom 01.12.2004 bis zum 30.09.2007 bezog er - höhere - Leistungen nach § 2 AsylbLG. Wie das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss bereits zutreffend ausgeführt hat, reichen zur Auffüllung der 48-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG auch Zeiten des Bezuges von Leistungen nach § 2 AsylbLG aus, so dass der Antragsteller die 48-Monats-Frist im streitbefangenen Zeitraum bereits deutlich überschritten hat. Zwar spricht § 2 AsylbLG hinsichtlich der Erfüllung der o.g. Frist ausdrücklich nur von "Leistungen nach § 3 AsylbLG". Der Senat hat jedoch bereits entschieden, dass bei der Prüfung des § 2 Abs. 1 AsylbLG dem Sinn und Zweck der leistungsrechtlichen Privilegierung in dieser Vorschrift entscheidende Bedeutung zukommt. Hiernach soll bei Leistungsberechtigten, bei denen aufgrund ihres längeren Aufenthalts eine stärkere Angleichung an die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland erforderlich ist, Leistungen in entsprechender Höhe wie nach dem SGB XII erbracht werden (BT-Drucks. 12/5008, S. 15; Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage 2008, § 2 Rn. 1). Der Gesetzgeber geht damit bei Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG im Regelfall davon aus, dass nach Ablauf von 48 Monaten des Bezuges niedrigerer Leistungen nach § 3 AsylbLG ein Wirtschaften unterhalb des sog. soziokulturellen Existenzminimums (welches etwa mit Leistungen nach dem SGB XII bzw. mit Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt wird) nicht mehr zumutbar erscheint (vgl. auch Beschluss des Senates vo...

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