Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bestimmung des örtlich zuständigen Grundsicherungsträgers bei einem anerkannten Flüchtling mit Wohnsitzauflage gem § 12a Abs 1 AufenthG 2004 für ein Bundesland. Leistungsanspruch bei Wohnsitznahme in anderem Bundesland. kein konkret zugewiesener Wohnort gem § 12a Abs 2 oder Abs 3 AufenthG 2004. Gewöhnlicher Aufenthalt

 

Orientierungssatz

1. Seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB 2 der Hilfebedürftige gem § 30 Abs 3 S 2 SGB 1 dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweilt.

2. Einer Auffassung, die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen für den Anspruch auf Leistungen des SGB 2 seien nur in dem Bundesland erfüllt, in dem der Flüchtling nach § 12a AufenthG 2004 seinen Wohnsitz zu nehmen hat, steht § 22 Abs 1a SGB 2 entgegen.

3. Die Vorschrift des § 36 Abs 2 SGB 2 ist auf die Wohnsitzregelung des § 12a Abs 1 AufenthG 2004 nicht anwendbar. Die örtliche Zuständigkeit nach § 36 Abs 2 SGB 2 setzt einen im Einzelfall zugewiesenen Wohnort voraus, der die Bestimmung eines für dieses Gebiet zuständigen Jobcenters ermöglicht.

 

Normenkette

SGB II § 22 Abs. 1a, § 36 Abs. 2, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, Abs. 4a, § 77; AufenthG § 12a; SGB I § 30 Abs. 3 S. 2; SGG § 86b Abs. 2 S. 2

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 24.01.2017 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig neben der Regelleistung auch Kosten für Unterkunft und Heizung ab dem 12.12.2016 bis zum 11.06.2017, längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, zu zahlen. Die Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der am 00.00.1973 geborene Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger. Die Anerkennung als Flüchtling iSd § 3 Abs. 1 AsylG erfolgte mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24.03.2016. Für die Durchführung des Asylverfahrens war der Antragsteller dem Land Sachsen-Anhalt zugewiesen. Seit dem 24.03.2016 ist der Antragsteller im Besitz einer von dem T-Kreis (Sachsen-Anhalt) ausgestellten bis zum 23.03.2019 gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Diese trägt den Vermerk "Erwerbstätigkeit gestattet". Der Antragsteller wohnte zunächst in H/T-Kreis und erhielt Arbeitslosengeld II vom Jobcenter T-Kreis.

Am 27.07.2016 beantragte der Antragsteller beim Jobcenter T-Kreis die Zusicherung zur Übernahme der Kosten für eine Unterkunft in F. Mit Bescheid vom 27.07.2016 erteilte das nach § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II in der bis zum 31.07.2016 geltenden Fassung zuständige Jobcenter T-Kreis die beantragte Zusicherung. Am 01.08.2016 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Mit Bescheid vom 12.08.2016 hob das Jobcenter T-Kreis die Bewilligung des Arbeitslosengeldes II ab 01.08.2016 auf. Am 16.08.2016 unterschrieb der Antragsteller den Mietvertrag über die Wohnung in F, seither wohnt der Antragsteller in F.

Am 10.10.2016 teilte die Stadt F dem Antragsteller mit, dass er verpflichtet sei, seinen Wohnsitz in Sachsen-Anhalt zu nehmen. Unter demselben Datum wurde dem Antragsteller eine Anmeldebestätigung für die Stadt F erteilt.

Der Antragsgegner bewilligte zunächst vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bis einschließlich Oktober 2016 sowie weitere Leistungen (Mietkaution, Erstausstattung der Wohnung).

Im November 2016 beantragte der Antragsteller die Weiterbewilligung der Leistungen. Mit Bescheid vom 07.12.2016 lehnte die Stadt F die Aufhebung der "gesetzlichen Wohnsitzverpflichtung" ab. Mit Bescheid vom 15.12.2016 lehnt der Antragsgegner die Bewilligung der beantragten Leistungen ab. Da der Antragsteller gem. § 12a Abs. 1 AufenthG verpflichtet sei, seinen Wohnsitz in Sachsen-Anhalt zu nehmen, sei der Antragsgegner gem. § 36 Abs. 2 AufenthG für die Bewilligung der Leistungen nicht zuständig. Der Antragsteller wurde aufgefordert, Leistungen "bei dem zuständigen Träger entsprechend des Ihnen zugewiesenen Wohnorts" zu beantragen. Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 03.02.2017 hat der Antragsteller mittlerweile (13.02.2017) Klage erhoben (SG Duisburg - S 5 AS 679/17).

Am 12.12.2016 hat der Antragssteller beim Sozialgericht Duisburg beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu zahlen. Die eidesstattliche Versicherung vom 16.01.2017, wonach er nicht über Einkommen oder Vermögen verfüge, ist am 25.01.2017 beim Sozialgericht eingegangen.

Mit Beschluss vom 24.01.2017 hat das Sozialgericht den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 12.12.2016 vorläufig für einen Zeitraum von sechs Monaten "den Regelbedarf nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen". Im Übrigen (hinsichtlich der Unterkunftskoste...

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