Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlehensweise Übernahme von Stromschulden durch den Grundsicherungsträger zur Vermeidung einer drohenden Wohnungslosigkeit vergleichbaren Notlage im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes

 

Orientierungssatz

1. Nach § 22 Abs. 8 SGB 2 können Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder Behebung einer vergleichbaren Notlage notwendig ist. Sie sollen übernommen werden, wenn sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Insbesondere in Form von Energiekostenrückständen kommt eine Behebung einer drohenden Wohnungslosigkeit vergleichbare Notlage in Betracht. Die hierzu erforderlichen Leistungen sind darlehensweise zu gewähren.

2. Die Bewilligung setzt voraus, dass zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten entweder ausgeschöpft oder nicht vorhanden sind.

3. Der Grundsicherungsträger muss dafür Sorge tragen, dass dem Leistungsberechtigten nur die Mitwirkung abverlangt wird, die objektiv und subjektiv zumutbar ist. Hinsichtlich rückständiger Energiekosten darf der Leistungsberechtigte nicht ausnahmslos auf zivilrechtlichen Eilrechtsschutz verwiesen werden. Denn der Energieversorgungsträger ist zu einer Wiederaufnahme der unterbrochenen Energieversorgung erst dann verpflichtet, wenn zuvor die gesamten rückständigen Energiekosten getilgt worden sind. Dies hat zur Folge, dass zur Behebung drohender Wohnungslosigkeit Stromschulden durch einstweiligen Rechtsschutz vom Grundsicherungsträger darlehensweise zu übernehmen sind.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 23.08.2012 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller hinsichtlich der Stromkostennachforderung Leistungen in Höhe von 975,25 EUR als Darlehen zu gewähren. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers dem Grunde nach.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe ab Antragstellung (16.07.2012) für das Ausgangsverfahren S 43 AS 1654/12 ER und ab Antragstellung (25.09.2012) für das Beschwerdeverfahren gewährt und Rechtsanwalt T aus I beigeordnet.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufigen Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).

Der Antragsteller hat hinsichtlich der Stromkostennachforderung im tenorierten Umfang einen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ein Anspruch des Antragstellers auf Gewährung eines Darlehens bezüglich der Stromkostennachforderung in Höhe von 975,25 EUR ergibt sich aus § 22 Abs. 8 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Danach können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden. Mit der in § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II genannten Notlage sind solche Konstellationen angesprochen, die mit der Gefährdung der Sicherung der Unterkunft vergleichbar sind. Insbesondere in Form von Energiekostenrückständen kommt eine Behebung einer drohenden Wohnungslosigkeit vergleichbaren Notlage in Betracht. Weiterhin können auch Kosten, die in der Regelleistung enthalten sind, insbesondere Stromschulden, eine vergleichbare Notlage auslösen. Dies gilt vor allem dann, wenn eine Entscheidung dazu führen würde, dass die Wohnung unbewohnbar würde (Berlit in LPK-SGB II, 4. Auflage 2011, § 22 Rn. 193 ff.).

Diese Voraussetzungen liegen unter Beachtung der existentiellen Bedeutung des Wohnraums vor. Entsprechend der vom SG bei der S AG eingeholten Auskunft vom 07.08.2012 hat der Antragsteller hinsichtlich der Stromkosten noch einen Betrag von 975,25 EUR zu begleichen....

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