Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Darlehen für Energieschulden

 

Orientierungssatz

1. Die Ablehnung der Übernahme weiterer laufender Bedarfe für Unterkunft und Heizung gem § 22 Abs 1 SGB 2 beinhaltet nicht auch die Ablehnung eines beantragten Darlehens für Energieschulden nach § 22 Abs 8 SGB 2.

2. Die Sperrung der Energieversorgung ist eine Notlage, die die Bewohnbarkeit der Wohnung mit Mietschulden vergleichbar beeinträchtigt und die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Sicherung der Unterkunft iS von § 22 Abs 8 S 1 SGB 2 indiziert. Ist die Sperrung nicht nur angekündigt, sondern bereits durchgeführt, entspricht dies drohender Wohnungslosigkeit iS von § 22 Abs 8 S 2 SGB 2.

3. Nicht abschließend klären lässt sich im Rahmen des Eilverfahrens, ob die darlehensweise Übernahme der Schulden iS von § 22 Abs 8 S 2 SGB 2 endgültig gerechtfertigt ist. In Betracht kommt die Schuldenübernahme nur, wenn diese objektiv geeignet ist, die Energieversorgung (dauerhaft) zu sichern und wenn der Leistungsberechtigte die zumutbaren Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft hat. Daneben sind sonstige Umstände, wie die Höhe der Rückstände, ihre Ursachen, die Zusammensetzung des von der Stromsperre betroffenen Personenkreises oder das in der Vergangenheit gezeigte Verhalten zu berücksichtigen.

4. Ist die Übernahme der Schulden geeignet die Energieversorgung des Hilfebedürftigen dauerhaft zu sichern und hat sich der Hilfebedürftige vielfältig, jedoch erfolglos um eine Regelung der Schulden bemüht, so ist ein Darlehen gem § 22 Abs 8 SGB 2 zur Tilgung der Energieschulden im einstweiligen Rechtsschutz zuzubilligen, wenn weitere Einzelfallumständen nicht erkennbar sind, die eine Schuldenübernahme klar als nicht gerechtfertigt erscheinen lassen würden. Allein die Tatsache, dass der Hilfebedürftige die Entstehung der Schulden dadurch verursacht hat, dass er die vom Grundsicherungsträger gem § 22 Abs 1 SGB 2 gewährten Leistungen zweckwidrig nicht an das Energieversorgungsunternehmen weitergeleitet hat, vermag der Darlehensgewährung nach § 22 Abs 8 SGB 2 nicht entgegen zu stehen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 14.02.2013 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller hinsichtlich der Forderung der Beigeladenen aus Energieschulden Leistungen in Höhe von 3.099,46 EUR zuzüglich der Kosten eines Installateurs/Elektrikers zur Anlagenprüfung vorläufig als Darlehen zu gewähren. Die Zahlung von 3.099,46 EUR ist unmittelbar an die Beigeladene zu leisten.

Der Antragsgegner trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen, der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren.

 

Gründe

I. Der 1958 geborene Antragsteller bezieht vom Antragsgegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Bezüglich der ab dem 01.08.2008 angemieteten Wohnung in der I-str. 00, N, kam es erstmals zu Zahlungsrückständen bei der Energieversorgung gegenüber der Beigeladenen. Der Antragsteller leistete entsprechend einer Einigung mit der Gläubigerin eine Einmalzahlung in Höhe von 400,00 EUR und trat ab 01.01.2010 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende in Höhe von 100,00 EUR monatlich an die Beigeladene ab. Zugleich wurde der monatliche Abschlag in Höhe von 110,00 EUR vom Antragsgegner direkt an die Beigeladene gezahlt. Einen Anlass zur Prüfung, wie der Antragsteller, der nach eigenen Angaben über keinerlei Vermögen verfügte und bei dem der Kontostand des Girokontos - bei drohender Kontenpfändung - am 06.10.2009 bei 1,21 EUR gelegen hatte, die Einmalzahlung finanzierte, sah der Antragsgegner nicht. Am 07.10.2010 teilte der Antragsteller dem Antragsgegner mit, die Forderung der Beigeladenen sei vollständig getilgt.

Seit November 2010 bewohnte der Antragsteller eine ca. 45 qm große Wohnung unter der Anschrift C-Straße 00, N, für die er Strom und Gas ebenfalls von der Beigeladenen als dem örtlichen Grundversorger auf der Grundlage des Versorgungsvertrages vom 05.11.2010 bezog. Der Abschlag für Strom lag bei 33,00 EUR, für Gas bei 100,00 EUR.

Am 17.11.2011 beantragte der Antragsteller die Weiterbewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende ab dem 01.12.2011. Die von ihm auf Anforderung des Antragsgegners vorgelegten Kontoauszüge der letzten drei Monate wiesen keinerlei Abbuchungen/Überweisungen zu Gunsten der Beigeladenen auf, ohne dass der Antragsgegner darauf reagiert hätte. Mit Bescheid vom 25.11.2011 erfolgte die Weiterbewilligung von Leistungen, u. a. - wie zuvor - in Höhe von 100,00 EUR als Kosten der Heizung.

Mit Schreiben vom 15.02.2012 forderte die Beigeladene vom Antragsteller aufgrund einer entsprechenden Jahresabrechnung der im Zeitraum vom 06.01.2011 bis 31.01.2012 erbrachten Energieleistungen einen Betrag von 1.150,21 EUR (1.051,57 EUR Erdgaskosten, 740,07 EUR Stromkosten, abzüglich insgesamt erbrachter 690,00 EUR Abschlags...

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