Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Anspruchseinschränkung. Ablehnung des Asylantrags als unzulässig wegen Zuständigkeit eines anderen Staates für die Durchführung des Asylverfahrens. Anspruch auf Leistungen für Ernährung, Unterkunft, Heizung, Körper- und Gesundheitspflege. im Einzelfall andere Leistungen als Ermessensleistung. Beschränkung auf den notwendigen Bedarf

 

Orientierungssatz

§ 1a Abs 1 S 3 AsylbLG sieht Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens selbst bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalles nicht vor; er verweist einzig auf § 3 Abs 1 S 1 AsylbLG, nicht hingegen auf § 3 Abs 1 S 2 AsylbLG.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 16.12.2019 geändert. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 05.11.2019 und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Der Antragsteller wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen die Einschränkung der ihm gewährten Leistungen nach dem AsylbLG.

Der 1999 geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger. Von 2015 bis 2017 hielt er sich in Schweden auf und beantragte dort mehrfach Asyl. 2017 reiste er erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein damaliger Asylantrag aus September 2017 blieb erfolglos (Bescheid vom 17.11.2017).

Am 03.06.2019 reiste der Antragsteller erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde zunächst in der Erstaufnahmeeinrichtung in C untergebracht. Am 24.06.2019 beantragte er bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erneut Asyl. Nachdem die schwedischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags nach Art. 18 Abs. 1d der Dublin III-Verordnung erklärt hatten, lehnte das BAMF den Asylantrag durch bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 08.08.2019 als unzulässig ab. Seither verfügt der Antragsteller über eine Duldung nach § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG.

Am 16.08.2019 wurde der Antragsteller in die Zentrale Unterbringungsstelle des Landes Nordrhein-Westfalen in X verteilt. Dort erhielt er von der Antragsgegnerin neben Leistungen bei Krankheit sog. Grundleistungen nach § 3 Abs. 2 S. 1 AsylbLG in Form von Sachleistungen sowie - ohne entsprechende schriftliche Leistungsbewilligungen - (Geld-)Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 lit. b) AsylbLG, die ihm wöchentlich i.H.v. 31,73 EUR ausgezahlt wurden.

Durch Bescheid vom 05.11.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2020 stellte die Antragsgegnerin die Zahlung der Geldleistungen, gestützt auf § 1a Abs. 7 S. 1 AsylbLG, ab dem 05.11.2019 zunächst für die Dauer von sechs Monaten ein und gewährte lediglich noch Leistungen zur Deckung seines Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege in Form von Sachleistungen. Dagegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 26.02.2020 bei dem Sozialgericht Aachen Klage erhoben.

(Bereits) Am 25.11.2019 hat der Antragsteller vor dem Sozialgericht Aachen um Eilrechtsschutz nachgesucht und unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 05.11.2019 (Az. 1 BvL 7/16) die Auffassung vertreten, § 1a Abs. 7 S. 1 AsylbLG sei verfassungswidrig. Eine zeitlich starre Leistungskürzung ohne mögliche Berücksichtigung von Härtefällen - wie in § 1a Abs. 7 S. 1 AsylbLG vorgesehen - sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Leistungseinschränkungen von (wie hier) mehr als 30 v.H. verletzten zudem das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG). Überdies sanktioniere § 1a Abs. 7 S. 1 AsylbLG die fehlende Mitwirkung des Antragstellers bei der Ausreise und diene daher der Durchsetzung seiner Ausreisepflicht. Dies sei ebenso verfassungsrechtlich bedenklich wie der Umstand, dass er die sechsmonatige Leistungskürzung durch eigenes Verhalten nicht verhindern bzw. beseitigen könne.

Der Antragsteller hat schriftlich beantragt,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 05.11.2019 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Leistungseinschränkung sei rechtmäßig.

Durch Beschluss vom 16.12.2019 hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 05.11.2019 angeordnet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der Entscheidung Bezug genommen.

Dagegen hat die Antragsgegnerin am 16.12.2019 Beschwerde eingelegt. Abweichend von der Auffassung des Sozialgerichts enthalte der Bescheid vom 05.11.2019 eine zumindest konkludente Aufhebung der zuvor gewährten Bargeldleistungen und sei daher nicht schon aus diesem Grunde rechtswidrig. § 1a Abs. 1, Abs. 7 AsylbLG sei auch mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) ...

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