Entscheidungsstichwort (Thema)

Auswirkung einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts zur Abschiebung eines Asylbewerbers auf dessen Leistungen nach dem AsylbLG

 

Leitsatz (amtlich)

Ordnet nach der Verfügung einer Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG ein Verwaltungsgericht erst später die aufschiebende Wirkung der Klage des Leistungsberechtigten gegen die Abschiebungsanordnung i.S.v. § 1a Abs. 7 Satz 2 AsylbLG an, so wirkt diese Anordnung ex tunc. Der Leistungsberechtigte ist deshalb so zu stellen, als habe die aufschiebende Wirkung bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung bestanden. Die Leistungseinschränkung entfällt deshalb nicht erst ab der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, sondern von Anfang an.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 30.01.2020 geändert und die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig weitere Leistungen i.H.v. 32,43 EUR wöchentlich für den Zeitraum vom 15.01.2020 bis zum 05.02.2020 zu erbringen.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unzulässig verworfen.

Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtschutzes höhere Leistungen nach dem AsylbLG.

Der 1999 geborene, ledige Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger vom Volk der Pashtunen. Er reiste am 10.09.2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein und äußerte am 16.09.2019 erstmals ein Asylgesuch. Am 08.10.2019 stellte er einen förmlichen Asylantrag. Durch einen Abgleich der Fingerabdrücke des Antragstellers mit der EURODAC-Datenbank wurde festgestellt, dass der Antragsteller zuvor bereits in Italien registriert worden war. Am 14.10.2019 wurde ein Übernahmeersuchen nach der Dublin III-Verordnung an Italien gerichtet, das von den italienischen Behörden nicht fristgerecht beantwortet wurde. Die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens ging daher auf Italien über. In einer Anhörung gab der Antragsteller an, in Deutschland bleiben zu wollen. Sein Bruder lebe hier.

Der Antragsteller war zunächst in die Erstaufnahmeeinrichtung C aufgenommen worden; am 24.10.2019 wurde er in die Zentrale Unterbringungseinrichtung in E verteilt. Er erhielt dort Grundleistungen gemäß § 3 Abs. 2 AsylbLG in Form von Sachleistungen. Nur die Leistungen zur Deckung des notwendigen persönlichen Bedarfs wurden im Rahmen einer wöchentlichen Barauszahlung als Geldleistung (sog. Taschengeld) erbracht, ohne dass dem Antragsteller ein entsprechender Bewilligungsbescheid erteilt wurde.

Mit Bescheid vom 16.12.2019 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Asylantrag des Antragstellers ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorlägen, und ordnete die Abschiebung nach Italien an.

Mit Bescheid vom 15.01.2020 beschränkte die Antragsgegnerin daraufhin den Leistungsbezug des Antragstellers gemäß § 1a Abs. 7 AsylbLG ab dem 15.01.2020 auf Leistungen zur Deckung seines Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege, stellte also die Taschengeldzahlungen ein. Die Leistungseinschränkung wurde auf sechs Monate befristet.

Am selben Tag erhob der Antragsteller gegen den Bescheid Widerspruch. Zugleich hat er bei dem Sozialgericht Aachen um einstweiligen Rechtschutz nachgesucht. Er habe gegen die Entscheidung des BAMF Klage beim Verwaltungsgericht B erhoben. Das Jugendamt O habe ihn überdies am 22.01.2020 darum gebeten, schnellstmöglich nach O zu kommen, um die vier Kinder seines Bruders zu betreuen. Dessen Ehefrau müsse ins Krankenhaus, der Bruder selbst könne wegen einer Erkrankung nicht für die Kinder sorgen, es drohe ansonsten die Inobhutnahme und Unterbringung der Kinder in verschiedenen Pflegefamilien. Er habe auf Grund der eingestellten Taschengeldzahlungen kein Geld für das Zugticket nach O, allerdings habe er den erforderlichen Betrag aus Spenden erhalten.

Mit Beschluss vom 30.01.2020 hat das Sozialgericht den Antrag, den es als solchen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 15.01.2020 sowie auf Aufhebung der Vollziehung ausgelegt hat, abgelehnt. Der Kürzungsbescheid der Antragsgegnerin sei nicht offensichtlich rechtswidrig. Auch eine besondere Härte liege nicht vor.

Gegen den ihm am 03.02.2020 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 03.03.2020 Beschwerde eingelegt. Am 06.02.2020 sei durch das Verwaltungsgericht B die aufschiebende Wirkung seiner Klage angeordnet worden. Er bitte daher, die Kürzung seines Taschengeldes (wöchentlich 32,43 EUR) aufzuheben.

Tatsächlich hat das Verwaltungsgericht B mit Beschluss vom 06.02.2020 (Az. xxx) die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (Az. xxx) gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des BAMF vom 16.12.2019 angeordnet.

Der Antragsteller beantragt daher,

den Beschluss des Sozialgerichts Aachen zu ändern und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm ab 15.01.2020 vorläufig Leistungen i.H.v. 32,43 EUR wöchent...

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