Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine einheitliche Vergütung von ambulanten Pflegeleistungen

 

Orientierungssatz

1. Die nichtrechtsfähige, aber gem. § 70 Nr. 4 i. V. m. § 51 Abs. 2 Satz 1 SGG beteiligungsfähige und nach § 71 Abs. 4 SGG prozessfähige Schiedsstelle gem. § 76 SGB 11 ist die richtige Antragsgegnerin bzw. Beklagte für den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung und die Klage gegen einen Schiedsspruch dieser Schiedsstelle.

2. Der Verfügungsgrund für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG ist dann gegeben, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung deswegen nicht gegeben ist, weil der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist.

3. Die offenbare Rechtswidrigkeit einer Anordnung der Schiedsstelle ist  nicht deswegen gegeben, weil bei der Festsetzung des Punktwertes und der Höhe der Vergütung für Hausbesuchspauschalen einer Pflegeeinrichtung der Träger der Sozialhilfe nicht beteiligt worden ist, der die fünf-Prozent-Quote des § 89 SGB 11 nicht erfüllt.

4. Ausgangspunkt für die Entscheidung der Schiedsstelle, ob die Vereinbarung der Vergütung ambulanter Pflegeleistungen zwischen dem Träger eines Pflegedienstes und den Leistungsträgern den gesetzlichen Vorgaben insbesondere des § 89 SGB 11 entspricht, ist immer die letzte Vereinbarung zwischen den Parteien, ersatzweise der letzte diese Vereinbarung ersetzende Spruch der Schiedsstelle.

5. Die Begründung einer Schiedsstelle, eine individuelle Kalkulation der Vergütungssätze für ambulante Pflegeleistungen sei unzulässig, sie müsse vielmehr nach pauschalen und landesweit einheitlichen Kriterien vorgenommen werden, verstößt gegen die Konzeption der §§ 89 und 90 SGB 11 einer marktorientierten Pflegeversorgung auf der Grundlage eines funktionierenden Wettbewerbs (Anschluss an BSG, Urteil vom 14.12.2000, B 3 P 19/00 R) und ist offensichtlich rechtswidrig.

6. Das Gebot des § 89 Abs. 2 Satz 2 SGB 11, die Vergütungsvereinbarung für jeden Pflegedienst gesondert abzuschließen, gilt nur dann, wenn von der Verordnungsermächtigung des §§ 90 SGB 11, wie dies bisher der Fall ist, nicht Gebrauch gemacht worden ist; es ist nicht Aufgabe der Schiedsstelle an Stelle des Verordnungsgebers eine allgemeine Regelung zu treffen, die nur für den Fall des Fehlens eines freien Wettbewerbs vorgesehen ist.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller (Pflegekassen) wird die aufschiebende Wirkung der Klage S 23 P 243/06 ab Zustellung der Beschwerdeentscheidung angeordnet, soweit die Antragsgegnerin (Schiedsstelle) den Punktwert höher als mit 4,1 ct, die Vergütungen für den Leistungskomplex 15 (Hausbesuchspauschale) höher als mit 1,53 Euro und für den Leistungskomplex 15a (erhöhte Hausbesuchspauschale) höher als mit 4,09 Euro festgesetzt hat. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin (Schiedsstelle) trägt die Kosten in beiden Rechtszügen des Anordnungsverfahrens. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird mit 13.568,46 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache um die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruches der Antragsgegnerin. Konkret geht es um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der nordrheinischen Landesverbände der Pflegekassen (= Antragsteller, im Folgenden: Pflegekassen) gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle für die Soziale Pflegeversicherung im Land Nordrhein-Westfalen (= Antragsgegnerin; im Folgenden: Schiedsstelle) hinsichtlich der Abrechnung von Pflegeleistungen der beigeladenen "B Häusliche Krankenpflege K. C und B1. X" in L (= Beigeladene, im Folgenden: Pflegeeinrichtung). Gegenstand des Schiedsspruches ist die Festsetzung des Punktwertes sowie die Höhe der Vergütung für Hausbesuchspauschalen (Leistungskomplex 15) und er-höhte Hausbesuchspauschalen (Leistungskomplex 15a).

Die Pflegeeinrichtung - ein durch Versorgungsvertrag zugelassener Pflegedienst - rechnete die den Pflegebedürftigen erbrachten Pflegeleistungen bisher mit den Pflegekassen nach einem Vergütungssystem ab, auf das sich die Verbände der freien Wohlfahrtspflege für ihre Einrichtungen mit den Pflegekassen im Jahr 1996 verständigt hatten und das nachfolgend durch einen Beschluss der Schiedsstelle vom 28.02.1996 bestätigt worden ist. Dieses System sieht Leistungskomplexe (LK) vor, die nach Punktzahlen bzw. Pauschalbeträgen vergütet werden. Die Punktzahlen bzw. Pauschalbeiträge werden danach zwischen den Pflegeeinrichtungen und Pflegekassen ausgehandelt. Die Pflegeeinrichtung und die Pflegekassen vereinbarten hiernach zuletzt bis zum 31.12.2004 einen Punktwert von 3,988 ct sowie eine Vergütung in Höhe von 1,53 Euro für den LK 15 und von 4,09 Euro für den LK 15a.

Mit Schreiben vom 06.09.2007 kündigte die Pflegeeinrichtung die bestehende Vergütungsvereinbarung. Sie forderte die Pflegekassen am 17.09.2004 und erneut am 27.10.2004 zu Verhandlungen über neue Vergütungen für Pflegeleistungen auf. Konkret beanspruchte sie die Erhöhung des Punktwerts auf 4,3 ct, sowie der Vergütung für die LK 15 und 15a auf 1,...

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