Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Leistungsentzug wegen fehlender Mitwirkung. Umfang der Pflicht zur Vorlage von Kontoauszügen

 

Orientierungssatz

1. Bei der Beantragung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende umfasst die dem Antragsteller obliegende Mitwirkungspflicht auch Kontoauszüge aus dem Zeitraum vor Antragstellung. Dabei besteht eine Vorlagepflicht auch für Kontoauszüge für solche Zeiträume, die länger als drei Monate vor der Antragstellung liegen, jedenfalls dann, wenn ein konkreter Verdacht auf fehlerhafte Angaben gegeben ist.

2. Eine Mitwirkungspflicht bei der Feststellung der Hilfebedürftigkeit durch Vorlage von Kontoauszügen besteht nur insoweit, wie diese zur Feststellung für den konkreten Zeitraum erforderlich ist. Wird die Vorlage der Kontoauszüge verlangt, um nachträglich die Leistungsberechtigung für vergangene Bewilligungszeiträume zu überprüfen, kann die fehlende Mitwirkung jedenfalls nicht zu einem Leistungsentzug wegen einer Mitwirkungspflichtverletzung im aktuellen Bewilligungszeitraum führen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.03.2018 geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Entziehungsbescheid vom 10.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2018 wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.03.2018 ist begründet.

Das Sozialgericht hat zu Unrecht den - im Schriftsatz vom 10.02.2018 ausdrücklich gestellten - Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom 10.02.2018, bei dem Sozialgericht am 13.02.2018 eingegangen, gegen den Entziehungsbescheid vom 10.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2018 abgelehnt.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG ist zulässig. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

Die Klage gegen den Entziehungsbescheid vom 10.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2018 entfaltet nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung, da durch diesen Bescheid Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Monat Februar 2018 ganz entzogen werden.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht aus dem Grunde unzulässig geworden, da der mit Widerspruch angefochtene Entziehungsbescheid bestandskräftig geworden wäre. Der Antragsteller hat vielmehr fristgemäß und auch im Übrigen in zulässiger Weise Klage erhoben. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2018 hat er sich mit Schriftsatz vom 10.02.2018 an das Sozialgericht, dort am 13.02.2018 eingegangen, gewandt und Klage erhoben, was eindeutig aus dem Wort "Klage" im Betreff dieses Schriftsatzes ersichtlich ist. In dem Schriftsatz hat er auch ausdrücklich auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen und zum einen dessen Aufhebung und zum anderen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Dadurch ist das Begehren des Antragstellers sowohl für das einstweilige Rechtsschutzverfahren als auch für das Hauptsacheverfahren deutlich geworden. Damit genügt die Klage des Antragstellers den Anforderungen des § 92 Abs. 1 SGG. Mit Eingang der Klage beim Sozialgericht ist diese rechtshängig geworden, § 94 S. 1 SGG. Dass das Sozialgericht dies übersehen hat, ist für den Eintritt der Rechtshängigkeit irrelevant.

Der Antrag ist auch begründet.

Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, die Wirkung des angefochtenen Bescheides (zunächst) zu unterbinden (Aussetzungsinteresse), mit dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners vorzunehmen. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruches ist anzuordnen, wenn das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse überwiegt. Dabei richtet sich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in erster Linie nach dem Grad der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Eingriffsbescheides und den daraus folgenden Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 86b Rn. 12a ff.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Entziehungsbescheid vom 10.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2018 zu Unrecht abgelehnt. Das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der aufschiebenden Wirkung überwiegt das Interesse des Antragsgegners am Vollzug des angefochtenen Bescheides. Denn dieser ist nach der im einstweiligen Rechtschutzverfahren mögl...

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