Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der dem Rechtsanwalt in einem Verfahren der Grundsicherung aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren. Verfahrensgebühr. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit. Bedeutung der Angelegenheit. Existenzminimum. Einkommensverhältnisse. Widerspruchsverfahren. Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr. Einigungsgebühr. Vergleichsvertrag

 

Orientierungssatz

1. Ist in einem Verfahren über Leistungen der Grundsicherung der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit als unterdurchschnittlich zu betrachten, die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger als leicht überdurchschnittlich zu werten, so ist bei erheblich unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen des Klägers die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG mit 175.- €. festzusetzen.

2. Auf die Verfahrensgebühr ist nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG die für das Betreiben des Vorverfahrens angefallene Geschäftsgebühr zur Hälfte anzurechnen.

3. Die durchschnittliche Terminsdauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens beträgt 30 bis 50 Minuten. Bei einer Dauer von 35 Minuten überschreitet der Ansatz von 280.- €. für die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG nicht die Toleranzgrenze von 20 %.

4. Eine im Verfahren nach Nr. 1006 VV RVG angefallene Einigungsgebühr entspricht der Höhe der konkret entstandenen Verfahrensgebühr; sie beträgt somit 175.- €. .

 

Normenkette

RVG § 14 Abs. 1, § 15a Abs. 1, § 45 Abs. 1 S. 1, § 55 Abs. 5, § 56 Abs. 2; VV RVG Nr. 1000 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; VV RVG Nr. 1006; VV RVG Nr. 2302; VV RVG Nrn. 3102, 3106; VV RVG Vorbem. 3 Abs. 4; SGB X § 54 Abs. 1

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 23.05.2016 geändert.

Die Vergütung wird auf 464,70 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung streitig.

Mit Bescheid vom 23.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2014 hob der Beklagte die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen für den Monat August 2013 teilweise auf, forderte einen Betrag von 216,80 EUR zurück und verfügte, dass die Erstattungsforderung i.H.v. 38,20 EUR monatlich gegen die der Klägerin zustehenden Grundsicherungsleistungen aufgerechnet wird.

Hiergegen erhob die Klägerin am 04.02.2014 Klage. Sie machte u.a. geltend, dass die Aufrechnungserklärung ermessensfehlerhaft sei. Durch Beschluss vom 31.03.2014 bewilligte das Sozialgericht Prozesskostenhilfe und ordnet den Beschwerdeführer bei. Der Beschwerdeführer erhielt einen Vorschuss i.H.v. 142,80 EUR.

Am 13.11.2015 fand eine mündliche Verhandlung statt, die von 9.30 Uhr bis 10.05 Uhr dauerte. In dem Terminsprotokoll heißt es:

"Die Beteiligten schließen zur Beendigung des Rechtsstreits folgenden Vergleich:

1. Der Klägerin wird nachgelassen, die Forderung aus dem Bescheid vom 23.10.2013 in monatlichen Raten á 20 EUR beginnend ab Januar 2016 zurückzuzahlen. Die Klägerin ist damit einverstanden, dass die 20 EUR direkt von dem Auszahlungsbetrag einbehalten wird. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass es, sofern die Forderung bereits durch die Aufrechnung erloschen ist, eine weitere Einbehaltung nicht stattfindet. Sofern die Klägerin aus dem Leistungsbezug ausscheidet, ist der Beklagte berechtigt, die restliche Forderungssumme in einer Summe einzuziehen.

2. Der Beklagte trägt 1/2 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

3. Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit übereinstimmend und vollständig für erledigt."

Der Beklagte zahlte auf den Vergütungsanspruch des Beschwerdeführers für das Betreiben des Widerspruchsverfahrens einen Betrag von 190,40 EUR unter Zugrundelegung einer Geschäftsgebühr von 300,00 EUR nach Nr. 2302 VV RVG.

Der Beschwerdeführer hat die Festsetzung einer Vergütung von 970,45 EUR beantragt und zwar in Höhe von Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 280,00 EUR Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 300,00 EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG 10,50 EUR Pauschale Nr. 7005 VV RVG 25,00 EUR 19 % MwSt. Nr. 7008 VV RVG 177,75 EUR Gesamt 1.113,25 EUR abzüglich Vorschuss 142,80 EUR

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die Vergütung am 13.11.2015 auf 434,95 EUR festgesetzt in Höhe von: Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 150,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 280,00 EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG 10,50 EUR Pauschale Nr. 7055 VV RVG 25,00 EUR 19 % MwSt. Nr. 7008 VV RVG 92,25 EUR Gesamt 577,75 EUR abzüglich Vorschuss 142,80 EUR Eine Einigungsgebühr sei nicht angefallen, da die Klägerin den Bescheid des Beklagten akzeptiert habe.

Hiergegen hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt. Eine Einigungsgebühr sei angefallen. Die Beteiligten hätten einen Vergleich geschlossen. Ausreichend sei insoweit ein Ratenzahlungsvergleich.

Durch Beschluss vom 23.05.2016 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen die Erinnerung zurückgewiesen. Die bloße V...

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