Entscheidungsstichwort (Thema)

Kinderzuschlag nach § 6a BKGG 1996. Vermeidung von Hilfebedürftigkeit. Hilfebedürftigkeitsprüfung. Wohngeldnachzahlung. Abweichung vom Zuflussprinzip

 

Orientierungssatz

1. Die Gesamtkonstruktion des § 6a Abs 1 BKGG 1996 ist darauf gestützt, dass die Eltern, die mit ihrem Einkommen und Vermögen für den eigenen Lebensunterhalt sorgen können und nur durch die Unterhaltsbelastung für die Kinder Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld in Anspruch nehmen müssten, durch die Gewährung von Kinderzuschlag und Wohngeld die Hilfebedürftigkeit für die gesamte Familie vermeiden können.

2. Bei der nach § 6a Abs 1 Nr 4 BKGG 1996 angezeigten Hilfebedürftigkeitsprüfung ist die Zahlung von Kinderzuschlag und Wohngeld abweichend vom tatsächlichen Zuflussprinzip dem Monat als Einkommen zuzurechnen, für den diese Leistungen bewilligt worden sind.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.10.2019; Aktenzeichen B 4 KG 1/19 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 13. November 2017 dahingehend geändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Kinderzuschlag gemäß § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) für den Monat April 2016 streitig.

Der Kläger wohnt mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen fünf minderjährigen Kindern in einem gemieteten Haus und muss dafür monatlich 690 Euro Gesamtmiete entrichten. Im Monat April 2016 erhielt der Kläger aus einer geringfügigen Beschäftigung Lohn in Höhe von 217,50 Euro netto, seine Ehefrau in Höhe von 1.040 Euro brutto. Für eine KFZ-Haftpflichtversicherung waren monatlich 120,73 Euro zu zahlen. Für die Kinder erhielt der Kläger Kindergeld in Höhe von 2 x 190 Euro, 1 x 196 Euro und 2 x 221 Euro monatlich. Weiterhin bezog der Kläger Wohngeld, nämlich bis März 2016 in Höhe von 254 Euro monatlich. Mit Bescheid vom 1. April 2016 erhöhte die Wohngeldstelle das Wohngeld ab März 2016 um 180 Euro monatlich, nämlich auf 434 Euro monatlich. Ab April 2016 betrug das Wohngeld 453 Euro monatlich. Am 11. April 2016 zahlte die Wohngeldstelle das Wohngeld für April 2016 in Höhe von 453 Euro sowie die Nachzahlung für März 2016 in Höhe von 180 Euro, insgesamt 633 Euro an den Kläger.

Der Kläger beantragte im Februar 2016 Kinderzuschlag ab März 2016, den die Beklagte mit Bescheid vom 10. März 2016 ablehnte, weil Hilfebedürftigkeit nicht vermieden werden könnte. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass möglicherweise ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II/Sozialgeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bestehe und zu diesem Zweck der Kläger für die Bedarfsgemeinschaft einen entsprechenden Antrag beim Jobcenter unter Vorlage des ablehnenden Bescheides stellen müsse. Der Kläger legte gegen diesen Ablehnungsbescheid Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2016 half die Beklagte für März 2016 ab und bewilligte Kinderzuschlag in Höhe von 700 Euro. Die Abhilfe ergebe sich daraus, dass unter Berücksichtigung des nachgezahlten Wohngeldes für März 2016 Hilfebedürftigkeit für diesen Monat habe vermieden werden können. Für April 2016 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Vergleich des Gesamtbedarfs mit dem anrechenbaren Einkommen ergebe einen Restbedarf in Höhe von 1.158,91 Euro. Selbst mit dem höchstmöglichen in Betracht kommenden Kinderzuschlag in Höhe von 700 Euro (140 Euro pro Kind) und dem Wohngeldanspruch in Höhe von 453 Euro verbleibe für April 2016 immer noch ein ungedeckter Restbedarf in Höhe von 5,91 Euro, so dass für diesen Monat Hilfebedürftigkeit nicht vermieden werden könne.

Ab Mai 2016 konnte der Kläger durch geringfügige Erhöhung seines Erwerbseinsatzes den Restbetrag decken und erhielt fortlaufend den Kinderzuschlag in Höhe von 700 Euro monatlich.

Mit der am 13. Juni 2016 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, dass zum 31. März 2016 die Eltern mit der Patentante der Tochter D. eine Darlehensvereinbarung über monatlich 50 Euro, die erstmalig zum 1. April 2016 überwiesen worden seien, zwecks Teilnahme an dem Musikunterricht getroffen hätten. Laut Auskunft des Jobcenters E. zählten solche Geldzuflüsse zum Familieneinkommen als Einnahme im Sinne des SGB II, so dass dadurch der Fehlbetrag von 5,91 Euro für April 2016 gedeckt sei. Demgegenüber hat die Beklagte vorgetragen, dass es sich bezüglich der 50 Euro entweder um das Einkommen des Kindes handele, welches dann den Kinderzuschlag von 700 Euro auf 650 Euro senken würde, oder um eine zweckgebundene Zuwendung für den Musikunterricht, die dann nicht als Einkommen für die Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen sei. Nach beiden Varianten verbleibe es bei dem ungedeckten Bedarf.

Mit Urteil vom 13. November 2017 hat das Sozialgericht (SG) Osnabrück die Beklagte unter Abänderung der angegriffenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für April 2016 Kinderzuschlag in Höhe von 650 Euro zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Es...

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