Orientierungssatz

Bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit iS des § 10 Abs 1 Nr 1 SGB 6 finden die Grundsätze, die zu der Ermittlung zumutbarer Verweisungstätigkeiten bei der Frage nach der Berufsunfähigkeit iS des § 240 SGB 6 bzw dessen Vorgängervorschriften entwickelt worden sind, keine Anwendung. Es genügt, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten in seinem bisherigen Beruf erheblich gefährdet oder gemindert ist. Leistungen zur Teilhabe können nicht mit der Begründung verweigert werden, die Erwerbsfähigkeit sei zwar für die bisherige Tätigkeit, nicht aber für Verweisungstätigkeiten iS des § 240 Abs 2 SGB 6 gefährdet oder eingeschränkt (vgl BSG vom 29.2.1968 - 4 RJ 423/66 = BSGE 28, 18 = SozR Nr 4 zu § 1236 RVO, BSG vom 14.3.1979 - 1 RA 43/78 = BSGE 48, 74 = SozR 2200 § 1237a Nr 6, BSG vom 31.1.1980 - 11 RA 8/79 = BSGE 49, 263 = SozR 2200 § 1237a Nr 10, BSG vom 11.9.1980 - 1 RA 47/79 = SozR 2200 § 1237a Nr 16, LSG Hamburg vom 8.9.2004 - L 1 RJ 22/04, LSG Celle-Bremen vom 27.10.2004 - L 2 RJ 48/04, LSG Celle-Bremen vom 3.3.2005 - L 10 RJ 165/04 und LSG Celle-Bremen vom 17.3.2005 - L 1 RA 196/04).

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Der 1955 geborene Kläger war im Jahr 1971 als Metallarbeiter und von Anfang 1972 bis Mitte 1980 als Matrose beschäftigt. Von August 1981 bis April 1983 absolvierte er eine Umschulung zum Maurer und war im Anschluss daran cirka ein Jahr in diesem Beruf tätig. Es folgte eine Beschäftigung als Hausmeister von Juli 1984 bis September 1989. Nach einer Umschulung zum Berufskraftfahrer war er als solcher von März 1991 bis Oktober 2002 bei der Firma R K Baustoffe GmbH in L beschäftigt, wobei er auch Be- und Entladetätigkeiten zu verrichten hatte. Das Arbeitsverhältnis wurde durch den Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen (Verkleinerung des Fuhrparks) beendet. Seither ist der Kläger arbeitslos.

Der Kläger nahm vom 7. bis 28. Februar 2002 auf Kosten der Beklagten an einer stationären medizinischen Heilbehandlung in der Reha-Klinik D teil. Im Reha-Entlassungsbericht vom 13. März 2002 wurden als Diagnosen eine Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule mit statisch muskulärer Dysbalance, eine Adipositas sowie ein unstabiles Blutdruckverhalten bei Hypertonus genannt. Der Kläger wurde für fähig erachtet, seine letzte berufliche Tätigkeit als Berufskraftfahrer noch täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er noch körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten unter weiteren Einschränkungen täglich sechs Stunden und mehr verrichten. Nachdem der Kläger im April 2003 einen Rentenantrag gestellt hatte, ließ die Beklagte ihn durch den Chirurgen Dr. W begutachten, der in seinem Gutachten vom 20. Mai 2003 eine Degeneration und Protrusionsdiskopathie der unteren Lendenwirbelsäule sowie eine Adipositas diagnostizierte und den Kläger für in der Lage befand, seine letzte berufliche Tätigkeit als Kraftfahrer täglich mindestens sechs Stunden zu verrichten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger noch körperlich mittelschwere Arbeiten ebenfalls täglich mindestens sechs Stunden verrichten.

Der Kläger beantragte am 12. August 2003 bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 15. August 2003 mit der Begründung ab, die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei nicht erheblich gefährdet oder gemindert, weil er noch in der Lage sei, eine Beschäftigung als Kraftfahrer weiterhin auszuüben. Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass ihm aufgrund seines Wirbelsäulenleidens Zwangshaltungen nicht zumutbar seien. Als Kraftfahrer könne er seine Körperhaltung nicht leidensgerecht ausrichten. Vielmehr sei er gezwungen, in sitzender Körperhaltung zu arbeiten, und er könne die Fahrten aufgrund terminlicher Vorgaben auch nicht beliebig unterbrechen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2003 im Wesentlichen mit der Begründung zurück, der Kläger könne mit seinem von Dr. W festgestellten Leistungsvermögen zwar nicht mehr den Anforderungen seines bisherigen Arbeitsplatzes als Kraftfahrer entsprechen. Es sei ihm nach seinem beruflichen Werdegang und seinem bisherigen Berufsleben jedoch sozial und wirtschaftlich zumutbar, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, die über einfachste ungelernte Tätigkeiten hinausgingen, zu verrichten. Es bedürfe daher nicht der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch den Rentenversicherungsträger, sondern vielmehr der Vermittlung eines geeigneten Arbeitsplatzes durch die Arbeitsverwaltung.

Der Kläger hat daraufhin beim Sozialgericht Lüneburg Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt hat. Zur Begründung hat er sein Widerspruchsvorbringen vertieft und ergänzend vorgetragen, nicht auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit Ausnahme einfachster ungelernter Tätigkeiten verwiesen werden zu können, da seine Berufskra...

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