Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 4115. Schweißerlunge bzw Siderofibrose. arbeitstechnische Voraussetzung. extreme und langjährige Einwirkungen von Schweißrauchen und Schweißgasen. wissenschaftliche Begründung der BK 4115. Auslegung: extreme Bedingungen. eingeschränkte Belüftungsverhältnisse. Alternative: kumulative Gesamtbelastung über ein Arbeitsleben. Stahlbauschlosser

 

Orientierungssatz

1. Zur bejahten Anerkennung einer Siderofibrose bzw Schweißerlunge eines Stahlbauschlossers als Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 4115, der während seiner beruflichen Tätigkeit einer Gesamtzeit von 26,8 Jahren gegenüber Schweißrauchen und Schweißgasen mit einer kumulativen Schweißrauchbelastung von 258 mg/m³ x Jahre exponiert gewesen war.

2. Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals "extreme Einwirkung" gem BKV Anl 1 Nr 4115 (hier: laut wissenschaftlicher Begründung zur BK 4115: "eingeschränkte Belüftungsverhältnisse").

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.03.2021; Aktenzeichen B 2 U 7/19 R)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 23. November 2016 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat den Klägern auch die im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei dem im Verlauf des Berufungsverfahrens verstorbenen Kläger (im Folgenden: Versicherter) eine Berufskrankheit (BK) im Sinne der Ziffer 4115 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) bestanden hat.

Einem Aktenvermerk der Beklagten vom 15. Juli 2011 ist zu entnehmen, dass sich die Lebensgefährtin des 1929 geborenen und zuletzt im Stahlbau tätigen Versicherten am selben Tag über die Reha-Hotline telefonisch gemeldet und mitgeteilt habe, dass dieser an einer Schweißerlunge erkrankt sei. Er werde derzeit im Klinikum Schaumburg, Stadthagen, stationär behandelt.

In dem daraufhin eingeleiteten BK-Feststellungsverfahren befragte die Beklagte den Versicherten u.a. zu dessen beruflichem Lebenslauf (Tätigkeit als Stahlschlosser einschließlich einer Lehre von August 1945 bis April 1982 bei verschiedenen Arbeitgebern; Arbeitsunfähigkeitszeiten von Dezember 1958 bis Februar 1959 und Mai 1982 bis Januar 1984; Tätigkeit im Katasteramt Bückeburg von Februar 1984 bis Januar 1986; seit dem 26. Februar 1986 Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente) und zog medizinische Unterlagen von den ihn behandelnden Ärzten (u.a. Dr. J., Internist, S.; Klinikum S., S.) sowie ein Vorerkrankungsverzeichnis von dessen Krankenkasse, der AOK, bei.

Anschließend bat sie ihren beratenden Arzt Prof. Dr. K., Internist, Göttingen, um Auswertung der vorgenannten Unterlagen, der in seiner Stellungnahme vom 29. September 2011 zusammenfassend ausführte, dass die konventionellen Röntgen-Thorax-Übersichtsaufnahmen keinen Hinweis für eine BK-Nr. 4103 oder 4115 gezeigt hätten.

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2011 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung einer BK-Nr. 4115 mit der Begründung ab, dass die medizinischen Voraussetzungen - das Vorliegen einer durch Schweißrauche verursachten Siderofibrose - nicht vorliege.

Hiergegen erhob der Versicherte mit Schreiben vom 7. November 2011 Widerspruch, den er mit Schreiben vom 8. März 2012 im Wesentlichen mit dem Verweis auf einen Bericht von Prof. Dr. L. /Dr. M. /Dr. N., Klinik für Pneumologie O., vom 31. Januar 2012 begründete.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Versicherten zurück.

Hiergegen hat dieser am 14. August 2012 Klage beim Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Zur Begründung hat der Versicherte u.a. auch auf ein von der Beklagten ebenfalls geführtes BK-Feststellungsverfahren zur BK-Nr. 4103 (Asbestose) verwiesen und auf eine im dortigen Verfahren erstellte Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten vom 1. November 2011 verwiesen.

Das SG hat im vorbereitenden Verfahren zunächst die von den den Versicherten behandelnden Ärzten erstellten Röntgen-/MRT/CT-Bilder angefordert und sodann von Amts wegen Dr. P., Internist, Q., mit einer Begutachtung beauftragt. Dieser riet in seiner Stellungnahme vom 8. Januar 2013 aufgrund der körperlich schlechten Verfassung des Versicherten zunächst von einer gutachterlichen Untersuchung ab, schlug jedoch die Erstellung einer Computertomographie des Thorax mit hochauflösenden Schichten vor.

Dementsprechend beauftragte das SG Dr. R., Zentrum für Radiologie und Nuklearmedizin, Klinikum S., mit einer Begutachtung und Auswertung der bildgebenden Materialien. In seinem nicht weiter datierten Gutachten gelangte dieser zusammenfassend zum Ergebnis, dass sich im Unterlappen betont subpleurale auffällige inter- und intralobuläre Zeichnungsvermehrungen im Sinne einer Fibrose gezeigt hätten. Es hätte kein indirekter Hinweis für eine Asbestose bestanden. Ob dieser Befund Ausdruck einer Siderofibrose sei, bleibe aufgrund auch der vorliegenden anamnestischen Angaben und Aktenlage nur im CT nich...

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