Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Pflegesatzverhandlung. Festsetzung der Vergütung von Pflegeeinrichtungen durch Schiedsspruch. Prüfung der Leistungsgerechtigkeit. externer Vergleich. plausible Prognose der erbrachten Leistungen. Darlegungspflicht des Kostenträgers. pauschale oder fehlende Angaben zu den voraussichtlichen Personalkosten. Unschlüssigkeit prospektiver Personalkosten. keine Festlegung neuer Pflegesätze unter Rückgriff auf Grundlohnsummensteigerung. Amtsermittlungspflicht und Beurteilungsspielraum der Schiedsstelle

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Vorliegen einer plausiblen Prognose der in einer Pflegeeinrichtung erbrachten Leistungen ist notwendige Bedingung und Voraussetzung für die Prüfung der Leistungsgerechtigkeit der so ermittelten Kosten in einem externen Vergleich.

2. Von den Kostenträgern kann im Rahmen von Pflegesatzverhandlungen ein detailliertes Bestreiten nicht verlangt werden, wenn die Angaben des Heimträgers zu den voraussichtlichen Personalkosten pauschal sind oder zu bestimmten Berufsgruppen komplett fehlen.

3. Sind prospektive Personalkosten nicht schlüssig dargelegt und fehlen außerdem ausreichende Daten für den externen Vergleich, ist die Schiedsstelle als Vertragshilfeorgan nicht gehalten, neue Pflegesätze unter Rückgriff auf vom Gesetz nicht vorgesehene Anpassungsfaktoren (hier: Grundlohnsummensteigerung) festzulegen.

 

Orientierungssatz

1. Zu Leitsatz 1 vgl BSG vom 16.5.2013 - B 3 P 2/12 R = BSGE 113, 258 = SozR 4-3300 § 85 Nr 4 RdNr 14.

2. In Ermangelung eines Verwaltungsunterbaus und im Hinblick auf Stellung und Funktion der Schiedsstelle genügt sie ihrer Amtsermittlungspflicht regelmäßig, wenn sie solche Unterlagen und Angaben von den Vertragsparteien anfordert, denen sie im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums Bedeutung beimessen möchte und denen nach der Rechtslage für die Schiedsstellenentscheidung Bedeutung beizumessen ist (vgl BSG vom 25.1.2017 - B 3 P 3/15 R = BSGE 122, 248 = SozR 4-3300 § 76 Nr 1 RdNr 45).

 

Tenor

Der Schiedsspruch der Beklagten vom 12. Januar 2014 wird aufgehoben und die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Beigeladenen zu 1 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

Die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2 - 4 tragen die Beklagte und die Beigeladene zu 1 jeweils zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Verfahren auf 5.615,53 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Im Streit ist ein Schiedsspruch der Beklagten vom 12. Januar 2014, mit dem diese für den Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis zum 30. Juni 2014 die Pflegesätze und Entgelte für die Pflegeeinrichtung der Beigeladenen zu 1, das N. in O. festgesetzt hat.

Die Beigeladene zu 1 betreibt laut ihrem Internet-Auftritt (www. P..de) derzeit 99 Pflegeeinrichtungen in Deutschland. Sie wurde 1985 gegründet und ist Teil der Q. -Unternehmensgruppe. Von den 99 Einrichtungen in Deutschland bieten 80 stationäre Pflege an. Insgesamt beschäftigt die R. in Deutschland und in anderen europäischen Ländern ca. 6.800 Mitarbeiter und bietet 13.000 Heimplätze an. 2017 betrug der Gesamtumsatz 432 Millionen €. Nach ihren Angaben sind in Deutschland die meisten Einrichtungen vom MDK geprüft und haben Qualitätsnoten von durchschnittlich 1,2 erreicht (Stand Mai 2017). Zu diesen Pflegeeinrichtungen zählt auch das durch Versorgungsvertrag für den Bereich der stationären Pflege zugelassene N. in O. mit 34 Plätzen. Die Beigeladene zu 1 ist nicht tarifgebunden. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013 waren zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1 folgende tägliche Pflegesätze und Entgelte vereinbart:

Pflegestufe I

43,15 €

Pflegestufe II

56,21 €

Pflegestufe III

69,33 €

Unterkunft und Verpflegung

18,52 €.

Mit Schreiben vom 13. und 14. Mai 2013 forderte die Beigeladene zu 1 den Kläger und die weiteren Kostenträger (Beigel. zu 2 bis 4) zu Pflegesatzverhandlungen nach § 85 des Elften  Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) auf. Beigefügt hatte sie diesem Schreiben Unterlagen, aus denen sich ergab, dass sie im streitigen Zeitraum voraussichtlich 7 Bewohner der Pflegestufe I, 18 Bewohner der Pflegestufe II und 9 Bewohner der Pflegestufe III versorgen werde. Insgesamt rechne sie mit einem Auslastungsgrad von 98 %. In der Anlage A 4 (einrichtungsindividuelle personelle Ausstattung) hatte sie zwar aufgeführt, wieviel Personal und zu welchem Entgelt sie im Bereich der Auszubildenden (2) und der Pflegedienstleitung (0,6) sowie im Bereich des sonstigen Personals einsetzen werde (Leitung und Verwaltung, Wirtschaftsdienste, technischer Dienst, Qualitätsbeauftragter), jedoch nicht, wieviel Pflegepersonal sie zu welchem Gehalt voraussichtlich beschäftigen werde. Hierzu hatte sie lediglich pro Pflegestufe den einrichtungsindividuellen Personalschlüssel angegeben sowie pauschale Personalkosten pro beschäftigter Person im Pflegebereich - ohne Unterscheidung nach Pflegeberufen - in Höhe von 39.036 €.

Mit ihrer Aufforderung zu Pflegesatzver...

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