Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Einkommensermittlung. Mischeinkünfte aus selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit. Verluste bei selbstständiger Nebentätigkeit. maßgeblicher Bemessungszeitraum. Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt. letzter steuerlicher Veranlagungszeitraum nur bei positiven Einkünften. keine Verschiebung des Bemessungszeitraums um Monate des Mutterschutzes bei Beamtinnen

 

Orientierungssatz

1. Für die Ermittlung des Einkommens bei gleichzeitiger selbstständiger und nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes ist nur dann nach § 2b Abs 3 S 1 BEEG der letzte steuerliche Veranlagungszeitraum maßgeblich, wenn der Elterngeldberechtigte mit der selbstständigen Erwerbstätigkeit positive Einkünfte erzielt hat.

2. Da die Inanspruchnahme des Mutterschutzes für Beamtinnen nicht mit einer Einkommensreduzierung verbunden ist, hat der Gesetzgeber von einer Einbeziehung der entsprechenden beamtenrechtlichen Vorgaben in den Tatbestand des § 2b Abs 1 S 2 Nr 2 BEEG abgesehen.

3. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundessozialgerichts: Nachdem die Klage vor dem BSG zurückgenommen wurde, ist dieses Urteil sowie das vorinstanzliche Urteil des SG wirkungslos.

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 29. April 2016 geändert.

Unter Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 24. Oktober 2014 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 6. November 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2015 wird der Beklagte zur Neuberechnung des der Klägerin im Zeitraum vom 21. Juli 2014 bis zum 20. Juni 2015 gewährten Elterngeldes unter Zugrundelegung des von der Klägerin im Zeitraum 1. Juni 2013 bis 31. Mai 2014 erzielten Bruttoeinkommens aus nichtselbständiger Arbeit verpflichtet.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch aus dem Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung dagegen, dass das Sozialgericht sie zu einer weiterreichenden Gewährung von Elterngeld verpflichtet hat.

Die Klägerin ist Verwaltungsbeamtin bei der Polizei. Sie begehrt Elterngeld für die Betreuung ihrer 2014 geborenen Tochter I. Ihr älterer Sohn J. wurde 2011 geboren.

Die Klägerin war 2013 in Teilzeit mit wechselnden Zeitanteilen beruflich tätig; ab Januar 2014 übte sie ihren Dienst in Vollzeit aus.

Im Einzelnen erhielt die Klägerin folgende Bruttogehaltszahlungen:

Monat 

Steuerpflichtiges Bruttogehalt in Euro:

Januar 2013

614,28

Februar 2013

614,28

März 2013

767,84

April 2013

1074,99

Mai 2013

1074,99

Juni 2013

1074,99

Juli 2013

1228,56

August 2013

1443,79

September 2013

1261,05

Oktober 2013

1733,93

November 2013

1733,93

Dezember 2013

1733,93

Januar 2014 (unter Berücksichtigung der mit der Februarabrechnung erfolgten Nachzahlung)

3152,60

Februar 2014

3152,60

März 2014

3152,60

Mai 2014

3152,60

Bis November 2013 führte die Klägerin im Nebenerwerb eine selbständige Reisevermittlung durch, mit der sie 2013 Umsatzerlöse in Höhe von 83,90 € im Juni 2013, 180 € im August 2013 und 115 € im November 2013 erzielte. Den Jahresumsatzerlösen in Höhe von 378,90 € standen ausweislich der Aufstellung der Klägerin (Bl. 29 GA) Geschäftsaufwendungen von insgesamt 389,75 € gegenüber; dementsprechend weist der Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes K. für das Jahr 2013 einen Verlust der Klägerin aus diesem Gewerbebetrieb in Höhe von 11 € aus.

Mit Bescheid vom 24. Oktober 2014 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 6. November 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2015 gewährte die Beklagte der Klägerin für den Zeitraum 21. August 2014 bis 20. November 2014, für den der Klägerin noch der sog. Geschwisterbonus zustand, ein Elterngeld in Höhe von monatlich 729,94 €; für den 2. Lebensmonat des Kindes ergab sich unter Berücksichtigung der bis zum Ablauf der Mutterschutzfrist erfolgten Gehaltsfortzahlung nur ein Teilbetrag von 94,19 €. Für die weiteren sieben Monate bis zum 20. Juni 2015, für die die Klägerin den Geschwisterbonus nicht mehr in Anspruch nehmen konnte, ergab sich ein Zahlbetrag von monatlich 654,94 €.

Bei dieser Berechnung hatte die Beklagte ausgehend von den von der Klägerin im Kalenderjahr 2013 erzielten Einkünften aus ihrer Tätigkeit als Polizeibeamtin ein durchschnittliches monatliches Erwerbseinkommen vor der Geburt in Höhe von monatlich 927,68 € (auf der Grundlage eines durchschnittlichen Bruttoeinkommens von 1.234,78 € vermindert um steuerliche Abzüge in Höhe von monatlich 223,77 €) zugrunde gelegt.

Mit der am 19. Februar 2015 erhobenen Klage hat die Klägerin ein höheres Elterngeld mit der Begründung begehrt, dass der Berechnung richtigerweise ihr Erwerbseinkommen in den letzten zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes, also ihr Einkommen aus dem Zeitraum Juni 2013 bis Mai 2014, zugrunde zu legen sei.

Mit Urteil vom 29. April 2016, dem Beklagten zugestellt am 24. Mai 2016, hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänder...

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