Entscheidungsstichwort (Thema)

Erklärung der Verrechnung. Zulässigkeit. Verwaltungsakt

 

Orientierungssatz

Der Senat schließt sich der dem Urteil des 4. Senats des BSG vom 24.7.2003 - B 4 RA 60/02 R = SozR 4-1200 § 52 Nr 1 zugrunde liegenden Rechtsauffassung an, wonach eine Verrechnung iS von § 52 SGB 1 keinen Verwaltungsakt darstellt, eine entsprechende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zur Regelung einer Verrechnung durch Bescheid fehlt (Anschluss an LSG Celle-Bremen vom 26.02.2007 - L 1 R 71/05).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.02.2012; Aktenzeichen B 13 R 109/11 R)

BSG (Beschluss vom 31.08.2011; Aktenzeichen GS 2/10)

BSG (Vorlegungsbeschluss vom 25.02.2010; Aktenzeichen B 13 R 76/09 R)

BSG (Beschluss vom 22.09.2009; Aktenzeichen B 4 SF 1/09 S)

BSG (Beschluss vom 05.02.2009; Aktenzeichen B 13 R 31/08 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 27. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, Ansprüche der Beigeladenen mit der Altersrente des Klägers gemäß § 52 SGB I durch Verwaltungsakt zu verrechnen.

Der Kläger erhält von der Beklagten seit Oktober 2003 Altersrente. Diese belief sich Ende 2005 auf einen Zahlbetrag von 873,83 € monatlich. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2005 ermächtigte die Beigeladene die Beklagte zur Verrechnung einer Gesamtforderung von 53.012,27 € aus überzahlten Sozialleistungen mit den Leistungsansprüchen des Klägers der Beklagten gegenüber. Nach Anhörung des Klägers erließ die Beklagte unter dem 21. November 2005 einen Bescheid, wonach der Anspruch der Beigeladenen in Höhe von 53.012,27 € mit dem Rentenanspruch des Klägers derart verrechnet wurde, dass ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt monatlich 436,00 € von der Rentenzahlung einbehalten und an die Beigeladene bis zur Tilgung der Forderung gezahlt würden. Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, durch die Verrechnung hilfebedürftig zu werden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2006 zurück, weil es der Kläger versäumt habe, den Eintritt seiner Hilfsbedürftigkeit durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung des Sozialamtes nachzuweisen.

Im nachfolgenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Hildesheim nach durch Beschluss vom 23. Oktober 2006 erfolgter Beiladung der Klage mit Urteil vom 27. Juli 2007 stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 21. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2006 aufgehoben, weil die Beklagte nach der Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts, der das erkennende Gericht folge, nicht berechtigt gewesen sei, die Verrechnungserklärung in der Form eines Verwaltungsakts abzugeben.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 6. August 2007 zugestellte Urteil am 30. August 2007 Berufung eingelegt. Sie hält die Rechtsauffassung des Sozialgerichts und die ihr zu Grunde liegende Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts für unzutreffend und meint weiterhin, dass eine Verrechnungserklärung in Form eines Bescheides zu erfolgen habe. Insoweit nimmt sie Bezug auf die ältere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und einzelne obergerichtliche Entscheidungen.

Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 27. Juli 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 27. Juli 2007 zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene hat sich der Rechtsauffassung der Beklagten angeschlossen.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil des Vorsitzenden gemäß § 124 Abs. 2, § 155 Abs. 3 SGG zugestimmt.

Dem Senat haben außer den Prozessakten die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht hat auf die Anfechtungsklage des Klägers zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 21. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2006 aufgehoben. Die Beklagte war auch nach Auffassung des erkennenden Senats nicht berechtigt, die vorgenommene Verrechnung nach § 52 SGB I in der Form eines Verwaltungsakts vorzunehmen. Die Berufung der Beklagten musste deshalb ohne Erfolg bleiben.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die Frage, ob die Beklagte die Verrechnung durch Verwaltungsakt vornehmen durfte. Die Beteiligten streiten hier demgegenüber nicht darüber, ob die Verrechnung materie...

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