Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Anspruch auf Zusicherung des Grundsicherungsträgers bei Umzug innerhalb des Vergleichsraums. Voraussetzungen der Zulässigkeit der endgültigen Vorwegnahme der Hauptsache. verfassungskonforme Auslegung. hier Verneinung eines Zusicherungsanspruchs wegen unangemessener Unterkunftskosten für die neue Unterkunft

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 22 Abs 4 SGB II gilt auch für Umzüge innerhalb des Vergleichsraums.

2. Bei Umzügen innerhalb des Vergleichsraums muss der örtlich zuständige Träger im Rahmen des Zusicherungsverfahrens nach § 22 Abs 4 SGB II weiterhin die Erforderlichkeit des Umzugs prüfen.

3. Aus Gründen der Effektivität des Rechtschutzes ist es unter engen Voraussetzungen zulässig, den zuständigen Träger bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur Erteilung einer endgültig wirkenden Zusicherung nach § 22 Abs 4 SGB II zu verpflichten.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 5. August 2020 (einstweiliger Rechtsschutz) wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Oldenburg vom 5. August 2020 ist nicht begründet.

Das SG hat es zu Recht abgelehnt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern eine Zusicherung nach § 22 Abs. 4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neu anzumietende Wohnung K., zu erteilen.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen.

Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch auf Erteilung der begehrten Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II nicht glaubhaft gemacht. Nach der genannten Vorschrift soll die leistungsberechtigte Person vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen (S. 1). Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind (S. 2)

Hinsichtlich der minderjährigen Antragsteller zu 3) und 4) scheitert der geltend gemachte Zusicherungsanspruch nicht bereits daran, dass sie nicht Vertragspartei des in Aussicht genommenen Mietvertrags sein werden. Die von dem Antragsgegner in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Sachsen-Anhalt (Urteil vom 18. Oktober 2018 - L 5 AS 295/18) betrifft ein Mietkautionsdarlehen nach § 22 Abs. 6 SGB II, für welches - anders als für die vorliegend in Rede stehende laufende Miete - das Kopfteilprinzip nicht gilt. Hinsichtlich der laufenden Aufwendungen für die Unterkunft haben alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ein berechtigtes Interesse an der Klärung, ob diese zukünftig vom Jobcenter übernommen werden.

Der Anspruch auf Erteilung der Zusicherung für einen Umzug innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Antragsgegners scheitert auch nicht daran, dass § 22 Abs. 4 SGB II nur für trägerübergreifende Umzüge gilt (so Luik in: Eicher/Luik, SGB II, § 22 Rn.177 f.). Eine derartige Beschränkung ist dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmen und die mit ihr verfolgten Zwecke, einerseits den Leistungsberechtigten durch eine verbindliche Einzelfallentscheidung über die Angemessenheit der neuen Unterkunft Rechtssicherheit vor deren Anmietung zu verschaffen und andererseits die Allgemeinheit davor zu bewahren, dass Leistungsberechtigte aufgrund unabgestimmter Entscheidungen unangemessene Mietzahlungsverpflichtungen eingehen und dadurch in Notlagen geraten, denen dann ggf. mit öffentlichen Mitteln begegnet werden muss (vgl. Luik a. a. O.), gelten in gleicher Weise auch für Umzüge innerhalb des Vergleichsraums. Soweit nach § 22 Abs. 4 SGB II in der seit dem 1. August 2016 gültigen Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26. Juli 2016 (BGBl. I 1824) die Erforderlichkeit eines Umzugs nicht mehr Voraussetzung für die Erteilung der Zusicherung ist, weil nach den Vorstellungen des Gesetzgebers eine d...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge