Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. fehlender Anordnungsanspruch. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. Aufenthaltsrecht der Kinder von Wanderarbeitnehmern zur Teilnahme am Schulunterricht. Schutzwirkung. Sozialhilfe. gesonderte Geltendmachung. Beiladung des Sozialhilfeträgers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Kindern von sog Wanderarbeitnehmern zur Sicherstellung der Teilnahme am allgemeinen Schulunterricht oder des Abschlusses einer Ausbildung zustehende Aufenthaltsrecht aus Art 10 der Verordnung (EU) Nr 492/2011 (juris: EUV 492/2011) steht dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II nicht entgegen. Es handelt sich allenfalls um ein abgeleitetes Recht vom abgeleiteten Recht, dem diesbezüglich keine Schutzwirkung zukommt.

2. Nothilfeleistungen nach dem SGB XII sind beim Sozialhilfeträger gesondert geltend zu machen. Jedenfalls im vorläufigen Rechtsschutzverfahren besteht kein Anlass zur Beiladung des Sozialhilfeträgers.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners hin wird der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 15. Oktober 2015 aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Anschlussbeschwerde der Antragsteller wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die gem. §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Bremen vom 15. Oktober 2015 ist begründet. Die Anschlussbeschwerde der Antragsteller bleibt ohne Erfolg.

Zu Unrecht hat das SG den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) i.H.v. 397,64 € monatlich für die Zeit vom 1. Oktober 2015 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 31. Januar 2016 zu gewähren. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG haben nicht vorgelegen, da die Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht haben.

Ihr Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ist nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entgegen der Rechtsauffassung des SG ausgeschlossen. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind danach Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Die Antragsteller gehören zu diesem Personenkreis. Die Voraussetzungen für ein anderes Aufenthaltsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) oder ggf. dem begrenzt subsidiär anwendbaren Aufenthaltsgesetz (vgl. hierzu Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R) liegen nicht vor.

Die 1986 geborene Antragstellerin zu 1) ist im Februar 2014 aus ihrem Heimatstaat I. mit ihrer im August 2005 dort geborenen Tochter, der Antragstellerin zu 2), in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hat hier im Dezember 2014 den Antragsteller zu 3) sowie am 2. November 2015 ein weiteres Kind zur Welt gebracht. Die Antragstellerin zu 2) besucht seit dem 17. März 2014 in J. die vierte Klasse der Schule K.. Laut Vortrag der Antragsteller in ihrem an das SG Bremen gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 1. Oktober 2015 bestehe zu dem ebenfalls aus I. stammenden Vater der Antragstellerin zu 2), Herrn L., kein Kontakt mehr. Näheres über den Verbleib des Vaters des Antragstellers zu 3), Herrn M. ist ebenso wenig bekannt wie über den Vater des im November 2015 geborenen Kindes der Antragstellerin zu 1).

Da die Antragstellerin zu 1) in der Zeit ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik nicht für mehr als ein Jahr erwerbstätig gewesen ist und sich nicht bereits rechtmäßig seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufgehalten hat, scheidet ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU ebenso aus wie die unbefristete Fortwirkung eines Aufenthaltsrechts als Arbeitnehmerin gem. § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FreizügG/EU. In Betracht kommt unter dem rechtlichen Gesichtspunkt früherer Erwerbstätigkeit - hierauf hat das SG zutreffend hingewiesen - lediglich die Aufrechterhaltung des Arbeitnehmerstatus im Anschluss an die letzte nachgewiesene, mehr als geringfügige Beschäftigung der Antragstellerin zu 1) als Zimmermädchen bei der Fa. N. in der Zeit vom 17. März 2014 bis zum 16. September 2014 (das Beschäftigungsverhältnis war von vornherein auf den letztgenannten Zeitpunkt befristet). Ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin hat indes hiernach, gem. § 2 Abs. 3 S. 2 FreizügG/EU, lediglich für sechs Monate, d.h. bis 30. März 2015, bestanden.

Hinsichtlich der lediglich zweieinhalb Monate währenden Tätigkeit der Antragstellerin zu 1) als Zimmermädchen für die Fa. O. in der Zeit vom 10. Juni 2015 bis zum 25. August 2015 hat das SG in seinem Beschluss vom 5. Oktober 2015 zutreffend ausgeführt, dass hieraus kein Aufenthaltsrecht result...

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