Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Anordnung. Anordnungsgrund. Eilbedürftigkeit. Praxisgebühr. Zuzahlung. Nichtzahlung der Praxisgebühr. Dauer der Hauptsacheverfahren. Sicherstellungsauftrag. Gefährdung des Sicherstellungsauftrages

 

Leitsatz (amtlich)

Weigern sich im Bereich einer Kassenärztlichen Vereinigung pro Quartal etwa 25.000 Versicherte, die Praxisgebühr zu leisten, so fehlt es für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung zugunsten der Kassenärztlichen Vereinigung gleichwohl an einem Anordnungsgrund. Angesichts ihres Budgets von mehr als einer halben Milliarde Euro pro Quartal wird der vertragsärztliche Sicherstellungsauftrag durch die Nichtentrichtung der Praxisgbühren nicht gefährdet.

 

Normenkette

SGG § 89b Abs. 2; SGB V § 28 Abs. 4, § 43b Abs. 2, § 75 Abs. 1 S. 1; Bundesmantelvertrag-Ärzte § 18 Abs. 5; GG Art. 19 Abs. 4

 

Verfahrensgang

SG Hannover (Entscheidung vom 07.05.2004; Aktenzeichen S 16/10 KA 71/04 ER)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners und Beschwerdegegners auch aus dem Beschwerderechtszug.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin (im Folgenden: Ast) erstrebt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Verurteilung des Antragsgegners (im Folgenden: Ag) zur Zahlung der sogenannten Praxisgebühr von 10,- € für das erste Quartal 2004.

Der Ag nahm am 1. Januar 2004 die chirurgische Ambulanz des B.… in C.… für eine Behandlung in Anspruch. Das Krankenhaus forderte ihn mit Schreiben vom gleichen Tage, dessen Empfang von ihm durch Unterschrift quittiert wurde, zur Zahlung der Praxisgebühr auf. Der Ag zahlte jedoch nicht. Mit Schreiben vom 19. März 2004 forderte die Ast den Ag unter Fristsetzung zum 29. März 2004 erneut zur Zahlung der Gebühr auf, ebenfalls ohne Erfolg.

Mit Schriftsatz vom 7. April 2004, bei dem Sozialgericht (SG) Hannover eingegangen am 13. April 2004, beantragte die Ast einstweiligen Rechtsschutz dahingehend, den Ag zur Zahlung von 10,- € zu verpflichten. Zur Begründung erläuterte sie, der für die Durchführung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens erforderliche Anordnungsanspruch sei ebenso gegeben, wie ein Anordnungsgrund. Der Anspruch sei durch die Inanspruchnahme der ärztlichen Leistungen am 1. Januar 2004 entstanden. Der Anordnungsgrund folge daraus, dass bei Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohten. Diese lägen nicht in dem Einzelfall des Ag begründet, sondern in der Vielzahl weiterer Patienten, die bereits im ersten Quartal die Praxisgebühr nicht gezahlt hätten. Sie, die Ast, sei gegenüber ihren Mitgliedern verpflichtet, für jedes Quartal Abschlagszahlungen in bestimmter Höhe zu leisten. Bei einem Volumen von etwa 224.000,- € nicht gezahlter Praxisgebühren werde der Sicherstellungsauftrag gefährdet, zumal allein in der ersten Instanz mit Gerichtsgebühren von etwa 3,3 Millionen € gerechnet werden müsse.

Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 7. Mai 2004 abgelehnt und ausgeführt, dass es im Hinblick auf das einstweilige Rechtsschutzverfahren an dem erforderlichen Anordnungsgrund fehle. Der Ast sei es zuzumuten, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Bei der Praxisgebühr handele es sich nur um einen kleinen Betrag, der den Sicherstellungsauftrag der Ast angesichts der Höhe der Gesamtvergütungen durch die Krankenkassen nicht zu gefährden vermöge. Die zu erwartenden Gerichtskosten könnten bei diesen Überlegungen keine Rolle spielen, sprächen vielmehr im Gegenteil dafür, dass für derartige Bagatellverfahren im einstweiligen Rechtsschutz kein Raum sei.

Gegen diesen ihr am 2. Juni 2004 zugestellten Beschluss hat die Ast am 28. Juni 2004 Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, das SG habe bei seiner Entscheidung im Hinblick auf den Anordnungsgrund lediglich den Einzelfall betrachtet. Erfahrungsgemäß dauere die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens mehrere Jahre. Ein mehrjähriges Abwarten sei ihr bei der Vielzahl der Fälle aus wirtschaftlichen Gründen jedoch nicht zumutbar. Allein die Verfahrenskosten seien 15 Mal höher als die Gebühr selbst. Effektiver Rechtsschutz sei aus diesen Gründen für die Ast nur im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu erhalten.

Das SG hat der Beschwerde mit Datum vom 29. Juni 2004 nicht abgeholfen.

Der Ag hat sich weder im erstinstanzlichen Rechtszug noch im Beschwerdeverfahren geäußert.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Ast vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwe...

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