Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. hinreichende Erfolgsaussichten. Arbeitslosengeld II. Unangemessenheit der Unterkunftskosten wegen Überschreitung der Werte der Wohngeldtabelle ohne Erstellung eines schlüssigen Konzepts durch den Grundsicherungsträger. kein Nachweis fehlender Ermittlungsmöglichkeiten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten iS des § 22 SGB 2 erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auf der Grundlage eines konkret-individuellen Maßstabs (sog schlüssiges Konzept). Der Leistungsträger kann nicht frei wählen, ob er seiner Entscheidung ein schlüssiges Konzept oder aber die Tabellenwerte nach § 12 WoGG (zzgl eines Sicherheitszuschlags) zugrunde legt. Letztere finden erst dann als Hilfsmaßstab Anwendung wenn ein schlüssiges Konzept nicht vorliegt und auch nicht mehr nachträglich erstellt werden kann ("Ausfall der Ermittlungsmöglichkeiten").

2. Lehnt ein Leistungsträger die Übernahme der tatsächlichen KdU wegen Überschreitung der Tabellenwerte nach dem WoGG (zzgl Sicherheitszuschlag) ab, können hinreichende Erfolgsaussichten einer hiergegen gerichteten Klage nicht von vornherein verneint werden, wenn der Leistungsträger bislang keinerlei Bemühungen zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts unternommen hat und Anhaltpunkte für einen Ausfall der Ermittlungsmöglichkeiten weder erkennbar sind noch vom Leistungsträger substantiiert dargelegt werden.

 

Tenor

Der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 6. Februar 2013 wird aufgehoben.

Den Klägerinnen wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt I., J., gewährt. Raten sind nicht zu zahlen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Klägerinnen wenden sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ihr vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg geführtes Klageverfahren S 24 AS 1877/12. Dort begehren sie die Gewährung von höheren Leistungen für Kosten der Unterkunft (KdU) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Die 1964 geborene Klägerin zu 1. bezieht gemeinsam mit ihren 1996 und 2003 geborenen Töchtern (Klägerinnen zu 2. und 3.) bereits seit Jahren Leistungen nach dem SGB II. Die Klägerinnen bewohnen eine Mietwohnung, für die sie eine monatliche Bruttokaltmiete i.H.v. 667,23 Euro (547,23 Euro Grundmiete zuzüglich 120,-- Euro Nebenkosten) sowie Heizkosten i.H.v. 75,-- pro Monat Euro zahlen.

Auf ihren Fortzahlungsantrag vom 23. Oktober 2012 bewilligte der Beklagte monatliche SGB II-Leistungen von 1.281,94 Euro (für den Monat Dezember 2012) bzw. 1.277,46 Euro (für die Monate Januar bis einschließlich Mai 2013). Hiervon entfielen jeweils 643,70 Euro auf Leistungen für KdU (547,23 Euro Grundmiete, 21,47 Euro Nebenkosten sowie 75,-- Euro Heizkosten). Eine weitergehende Übernahme von KdU lehnte der Beklagte - wie auch bereits in den vorangegangenen Bewilligungszeiträumen - mit der Begründung ab, dass die tatsächlichen Wohnkosten unangemessen hoch seien. Der Grenzwert der angemessenen KdU ergebe sich aus den Werten nach § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 Prozent (Bescheid vom 24. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2012).

Mit ihrer am 6. Dezember 2012 eingelegten Klage machen die Klägerinnen geltend, dass es sich bei der Klägerin zu 1. um eine Alleinerziehende handele, so dass ihnen 10 qm zusätzlicher Wohnraum zustehe. Bei den Grenzwerten nach § 12 WoGG sei dementsprechend nicht von dem Betrag für einen Drei-, sondern für einen Vier-Personen-Haushalt auszugehen (monatliche Bruttokaltmiete von 660,-- Euro anstatt 568,70 Euro).

Das SG hat die Gewährung von PKH wegen Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung abgelehnt. Die Klägerinnen führten wegen dieser Rechtsfrage (Zuschlag zu den KdU wegen Alleinerziehung) bereits vier weitere Klageverfahren für frühere Bewilligungszeiträume. Es sei ihnen zuzumuten, bei dem Beklagten ein Ruhen des Widerspruchsverfahrens bis zur Entscheidung in den anderen Klageverfahren herbeizuführen (Beschluss vom 6. Februar 2013).

Gegen den den Klägerinnen am 8. Februar 2013 zugestellten Beschluss richtet sich ihre am 13. Februar 2013 eingelegte Beschwerde. Die Klägerinnen machen geltend, dass ihre Rechtsverfolgung nicht mutwillig sei. So habe der Beklagte nach Einlegung des Widerspruchs mitgeteilt, dass die Widerspruchsbearbeitung noch einige Zeit dauern werde und unaufgefordert weitere Nachricht erfolge. Über den Widerspruch sei dann jedoch bereits am 22. November 2012 entschieden worden, d.h. gerade 20 Tage nach Einlegung des Widerspruchs. Mit einer derart kurzen Verfahrensdauer hätten die Klägerinnen nicht rechnen müssen. Ebenso wenig hätten die Klägerinnen bereits bei Einlegung des Widerspruchs eine Ruhendstellung des Verfahrens vorschlagen müssen. Üblicherweise frage nämlich die Behörde nach, ob ein Verfahren ruhend gestellt werden solle. In Anlehnung an die für eine Untä...

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