Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorläufiger Rechtsschutz für öffentlich-rechtliche Körperschaften. vorläufige Feststellung des Bestehens eines Vertrages durch einstweilige Anordnung. Anwendung von § 89 SGB 5 auf befristete Verträge

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum vorläufigen Rechtsschutz öffentlich-rechtlicher Körperschaften.

2. Zur Zulässigkeit der vorläufigen Feststellung des Bestehens eines Vertrages im Wege einer einstweiligen Anordnung entsprechend § 123 VwGO.

3. Zur Anwendbarkeit des § 89 Abs 1 S 1 und 4 SGB 5 auf befristete Verträge.

 

Tatbestand

Das Sozialgericht (SG) H. hat mit Beschluß vom 13. Dezember 1996 festgestellt, daß der Beschluß des Landesschiedsamtes N. für die kassenzahnärztliche Versorgung vom 29. April 1994 - Az.: LSZ 2/94 - solange vorläufig weitergilt, bis die Beteiligten oder das Landesschiedsamt N. für die (jetzt) vertragszahnärztliche Versorgung neue Vereinbarungen zur Wirtschaftlichkeitsüberwachung nach § 106 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) getroffen haben.

Hiergegen hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat.

 

Entscheidungsgründe

Die gem § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Beschwerde ist form- sowie fristgerecht eingelegt worden und auch im übrigen zulässig.

Sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat zu Recht die mit dem Rechtsmittel angegriffene Feststellung ausgesprochen.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin können auch Krankenkassen bzw ihre Verbände als Körperschaften des öffentlichen Rechts um vorläufigen Rechtsschutz vor den Sozialgerichten nachsuchen. Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1977 - 2 BvR 42/76 - (E 46, 166) verlangt Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz, wenn ohne solchen schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Zwar sind die Krankenkassen keine Grundrechtsträger (BVerfGE 39, 302, 312 ff) und können sich insoweit nicht auf Art 19 Abs 4 GG berufen. In der Vorschrift findet jedoch ebenfalls das objektive Rechtsstaatsgebot seinen Ausdruck. Dieses enthält die Gewähr effektiven Rechtsschutzes auch für Rechtsgüter unterverfassungsrechtlichen Ranges (so auch Beschlüsse des 4. Senats des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 26. Juni 1996 - L 4 Kr 82/96 eR - und 18. Februar 1997 - L 4 Kr 4/97 eR -). Damit steht vorläufiger Rechtsschutz auch den juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu, soweit diese keine Grundrechtsträger sind, zum Schutze ihrer durch einfaches Gesetz begründeten Rechte.

Um derartige Rechte geht es vorliegend.

Nach § 106 Abs 3 Satz 1 SGB V sind die Landesverbände der Krankenkassen berechtigt, mit den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit zu vereinbaren. Dementsprechend steht ihnen auch das Recht zu, das Bestehen oder Nichtbestehen eines derartigen Vertrages gem § 55 Abs 1 Nr 1 SGG feststellen zu lassen. Ein solcher Rechtsstreit ist nicht auf eine abstrakte Normenkontrolle gerichtet. Er betrifft vielmehr die konkrete Frage, welche vertraglichen Rechte und Pflichten den Vertragspartnern gegenseitig zustehen (Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Loseblattsammlung Stand: März 1996, § 55 Anm 2a). Da die Feststellung des Bestehens eines Vertrages im Rahmen einer Feststellungsklage erreicht werden kann, ist auch eine entsprechende vorläufige Feststellung im Wege einer einstweiligen Anordnung entsprechend § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig (vgl Kopp, VwGO, 10. Aufl. 1994, § 123 Rdnr 9).

Die Voraussetzungen des § 123 VwGO sind erfüllt.

Die mit Beschluß des Landesschiedsamtes Niedersachsen vom 29. April 1994 festgesetzte Übergangsvereinbarung zur Prüfvereinbarung gem § 106 SGB V gilt nach summarischer Prüfung derzeit weiter.

Zwar bestimmt Ziffer III der vorgenannten Übergangsvereinbarung, daß diese längstens bis zum 31. Dezember 1994 gilt. Die Weitergeltung der Vereinbarung über den Befristungszeitpunkt hinaus ergibt sich jedoch aus § 89 Abs 1 SGB V.

Kommt ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande, setzt das Schiedsamt mit der Mehrheit seiner Mitglieder gem § 89 Abs 1 Satz 1 SGB V innerhalb von drei Monaten den Vertragsinhalt fest. Kündigt eine Vertragspartei einen Vertrag, hat sie die Kündigung gem § 89 Abs 1 Satz 2 SGB V dem zuständigen Schiedsamt schriftlich mitzuteilen. Kommt bis zum Ablauf eines Vertrags ein neuer Vertrag nicht zustande, setzt das Schiedsamt gem § 89 Abs 1 Satz 3 SGB V mit der Mehrheit seiner Mitglieder innerhalb von drei Monaten dessen Inhalt fest. In diesem Fall gelten die Bestimmungen des bisherigen Vertrages gem § 89 Abs 1 Satz 4 SGB V bis zur Entscheidung des Schiedsamtes vorläufig weiter.

§ 89 Abs 1 SGB V ist auf die Übergangsvereinbarung vom 29. April 1994 anwendbar. Die Vereinbarungen über das Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit der vertrag...

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