Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Fallpauschale. Kassenwechsel. Leistungszuständigkeit. kein Ausschluss von Prozesszinsen im sozialgerichtlichen Verfahren

 

Orientierungssatz

1. Der Kassenwechsel führt zu einem Wechsel der Leistungszuständigkeit für alle danach durchgeführten Behandlungen, auch wenn der sie veranlassende Versicherungsfall schon vorher eingetreten war und unabhängig davon, ob sich der krankheitsbedingte Behandlungsbedarf bereits gezeigt hatte und ärztlich festgestellt war. Werden Fallpauschalen abgerechnet, entscheidet der Zeitpunkt der Behandlungsmaßnahme, dh das Erbringen der in Ansehung der Pauschale vorgesehenen Hauptleistung vor oder nach dem Beginn der Mitgliedschaft darüber, ob die neue oder die alte Krankenkasse leistungspflichtig ist. Krankenversicherungsrechtlich handelt es sich um Einmalleistungen, für die eine Aufteilung von Zuständigkeiten nicht in Betracht kommt (vgl BSG vom 20.11.2001 - B 1 KR 26/00 R = SozR 3-2500 § 19 Nr 4).

2. Die allgemeinen Grundsätze über Verzinsung öffentlich-rechtlicher Ansprüche sind dadurch gekennzeichnet, dass Verzugszinsen auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung gewährt werden, während Prozesszinsen in entsprechender Anwendung des § 291 BGB verlangt werden können, es sei denn, das geschriebene Fachrecht weist eine den allgemeinen Grundsatz derogierende Regelung auf, die aber in Anbetracht des Wesensunterschiedes zwischen Verzugs- und Prozesszinsen grundsätzlich nicht in einem lediglich Verzugszinsen ausschließenden Rechtssatz gesehen werden kann (vgl BVerwG vom 22.2.2001 - 5 C 34/00 = BVerwGE 114, 61, Entgegen BSG vom 18.12.1979 - 2 RU 3/79 = SozR 1200 § 44 Nr 2).

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. März 2005 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 121.015,61 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Februar 2003 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind die Erstattung von Kosten für eine stationäre Krankenhausbehandlung und die Zinsen auf den Erstattungsbetrag im Streit.

Bei der Klägerin war bis zum 31. Dezember 2000 als Familienangehörige des Versicherten R N die ... 1982 geborene J N versichert. Diese befand sich wegen akuter myeloischer Leukämie ab 6. November 2000 in stationärer Behandlung im Universitätsklinikum E (UKE), wo sie bis zum 28. Dezember 2000 auf der Abteilung für Onkologie und Hämatologie zur Polychemotherapie verweilte. Am 29. Dezember 2000 wurde sie zur Durchführung einer Knochenmarkstransplantation von dort in das Zentrum für Knochenmarkstransplantation des UKE verlegt, wo am 31. Dezember 2000 mit der Konditionierungsphase, der Zerstörung des körpereigenen Knochenmarks durch Zuführung hochdosierter Chemikalien, begonnen und nach Abschluss der 8-tätigen Konditionierung das Spenderknochenmark transplantiert wurde. Am 5. Februar 2001 wurde die Versicherte aus der stationären Behandlung entlassen. Sie wurde erneut vom 16. bis zum 26. Februar 2001 stationär behandelt. Am 17. Juni 2001 verstarb sie.

Bereits mit Schreiben vom 25. September 2000 hatte der Stammversicherte die Mitgliedschaft zur Klägerin zum 31. Dezember 2000 gekündigt und die Beklagte als neue Krankenkasse ab dem 1. Januar 2001 gewählt.

Für die stationäre Behandlung vom 6. November 2000 bis zum 30. Dezember 2000 stellte das UKE der Klägerin mit Rechnung vom 31. Dezember 2000 53.549,72 DM in Rechnung. Diesen Betrag beglich die Klägerin. Mit weiterer Rechnung vom 1. August 2001 stellte das UKE der Klägerin für die Behandlung der Verstorbenen die Fallpauschale 11.02 (Myeloablative Therapie mit Transplantation allogen-verwandter HLA-identischer hämatopoetischer Stammzellen ab Konditionierungsphase) nach dem "Bundesweiten Fallpauschalenkatalog" für Krankenhäuser nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 4 der Bundespflegesatzverordnung in Höhe von 236.685,97 DM (= 121.015,61 €) in Rechnung. Nachdem die Klägerin zunächst unter Hinweis auf den Kassenwechsel die Zahlung verweigert und das Krankenhaus an die neue Kasse verwiesen, die Beklagte jedoch ebenfalls die Zahlung abgelehnt und auch einer Aufteilung der Kosten unter den Kassen nicht zugestimmt hatte, beglich die Klägerin auch diese Rechnung, begehrte jedoch von der Beklagten Erstattung des verauslagten Betrages. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass die Hauptleistung der abgerechneten Fallpauschale - die Transplantation des Knochenmarks - erst am 8. Januar 2001 und damit während der Kassenzugehörigkeit bei der Beklagten erfolgt sei. Die Beklagte lehnte eine Erstattung ab. Das Bundessozialgericht habe entschieden, dass ein nach der Erbringung der Hauptleistung eintretender Kassenwechsel die Leistungszuständigkeit unberührt lasse. Hier beginne die Hauptleistung mit der Konditionierungsphase. Dies habe der Medizinische Dienst der Krankenversicherung nach Durchsicht der Patientenunter...

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