Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Nothilfe. Erstattungsanspruch eines Krankenhausträgers wegen stationärer Krankenhausbehandlung. Kenntnis des Sozialhilfeträgers vom Leistungsfall. Ansprüche aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag

 

Orientierungssatz

1. Sobald der Sozialhilfeträger Kenntnis vom Leistungsfall hat, setzt nach § 18 Abs 1 SGB 12 der Anspruch des Hilfebedürftigen ein, der dann den Anspruch des Nothelfers nach § 25 SGB 12 ausschließt.

2. § 25 SGB 12 regelt abschließend die Voraussetzungen eines Kostenersatzanspruchs einer Person, die anstelle des Sozialhilfeträgers Hilfeleistungen ohne dessen Auftrag erbringt (vgl BSG vom 23.8.2013 - B 8 SO 19/12 R = BSGE 114, 161 = SozR 4-5910 § 121 Nr 1 sowie LSG Hamburg vom 6.5.2021 - L 4 SO 46/20 = FEVS 73, 216).

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen,

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Erstattung von Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 817,39 Euro.

Die Klägerin betreibt das W. Krankenhaus G. in H.. Die Beklagte ist örtlicher Sozialhilfeträger.

Am 9. April 2015, einem Donnerstag, wurde um 4:00 Uhr morgens die am xxxxx 1985 geborene b. Staatsangehörige S. (im Weiteren: Patientin) durch einen Rettungswagen der Feuerwehr H. in das Krankenhaus der Klägerin eingeliefert. Im Rettungsdienstprotokoll heißt es, die Patientin sei vor einem Hauseingang eingeschlafen und könne sich nicht daran erinnern, wie sie dort hingekommen sei. Im Entlassungsbericht vom 9. April 2015 wird als Diagnose Vigilanzminderung bei unklarer Mischintoxikation genannt. Die Patientin sei stark benommen gewesen, so dass die Übernahme auf die Intensivstation zur Überwachung erfolgt sei. Sie sei dann in stabilem Allgemeinzustand entlassen worden.

Die Klägerin informierte die Beklagte am 9. April 2015 per Fax über die Behandlung und beantragte mit Schreiben vom 28. Mai 2015 die Kostenübernahme. Dem Antrag war u.a. eine von der Patientin unterschriebene sog. Mittellosigkeitserklärung beigefügt, der zufolge sie über kein Vermögen verfüge, um die Krankenhauskosten aus eigenen Mitteln zu finanzieren, und keinerlei Versicherungsschutz habe und deshalb die Übernahme der Krankenhauskosten beim zuständigen Sozialamt beantrage. In einem beigefügten Fragebogen des Krankenhauses heißt es zur Frage „Wovon haben Sie gelebt“: „Gelegenheitsjobs“. Als Meldeadresse war die _____ in H.- U. genannt. Zur Frage nach der Krankenversicherung heißt es: „War vorher privat versichert in B.“.

Mit Schreiben vom 4. Juli 2016 teilte die Beklagte mit, dass die Patientin nach dortiger Information in der fraglichen Zeit über einen Arbeitgeber bei der AOK angemeldet gewesen sei. Es werde gebeten, die Forderung bei der Krankenkasse als vorrangigem Träger geltend zu machen. Mit Schreiben vom 7. Juli 2016 legte die Klägerin Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, dass ein Versicherungsverhältnis mit der AOK nie zustande gekommen und der Anspruch gegenüber der Beklagten berechtigt sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es habe bereits kein Eilfall vorgelegen, da die Patientin am 9. April 2015 in das Krankenhaus der Klägerin aufgenommen worden und die Beklagte an diesem Tag dienstbereit gewesen sei.

Die Klägerin hat daraufhin am 3. März 2017 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben und diese damit begründet, dass die Beklagte unter Verstoß gegen ihre Amtsermittlungspflicht nichts getan habe, um den Sachverhalt weiter aufzuklären. Weiter hat die Klägerin auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Hamburg vom 5. Juni 2019 (L 4 SO 11/17) verwiesen und gemeint, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) - soweit das BSG die Kenntnis des Sozialhilfeträgers als Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des Nothelfers und des Leistungsberechtigten betone - bleibe offen, wie zu verfahren sei, wenn der Träger zwar Kenntnis habe, jedoch seine Entscheidung aus medizinischen Gründen nicht abgewartet werden könne. Dies sei hier der Fall gewesen, da die Patientin um 4:00 Uhr wegen Vergiftungserscheinungen ins Krankenhaus der Klägerin aufgenommen und auf der Intensivstation behandelt worden sei. Mit der Kenntnis des Sozialhilfeträgers von einem hilfebedürftigen Patienten gehe auch die Verantwortung für diesen Patienten, insbesondere der Umfang der Gewährung der ärztlichen Leistungen, auf den Sozialhilfeträger über. Wenn der Träger trotz Kenntnis keine Entscheidung treffe, sondern das Krankenhaus „allein lasse“, habe er auch für die bis zu seiner Entscheidung medizinisch notwendig zu erbringenden Leistungen einzustehen.

Das Sozialgericht hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 14. September 2020, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 18. September 2020 zugestellt, abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 25 Z...

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