Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit der Klage. Versterben des Klägers während des Klageverfahrens. keine Klagebefugnis der Gesamtrechtsnachfolger/innen. kein Feststellungsinteresse. Sonderrechtsnachfolge gem § 56 SGB 1. Erlöschen: Anspruch auf Geldleistungen gem § 59 S 2 SGB 1. Nichtfeststellung der Geldleistungen im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten und kein anhängiges Verfahren. bestandskräftige Ablehnung der Geldleistungen im Verwaltungsverfahren. mögliches Wiederaufgreifen der bestandskräftigen Ablehnungsentscheidung. im Erfolgsfall mögliche Überprüfung im Zugunstenverfahren gem § 44 Abs 1 S 1 SGB 10. keine rückwirkende Anhängigkeit iS des § 59 S 2 SGB 1

 

Orientierungssatz

1. Die bloße Möglichkeit der Beantragung eines Überprüfungsverfahrens gem § 44 Abs 1 S 1 SGB 10 bzw dass ein solches durchgeführt wird, vermag kein Feststellungsinteresse der Rechtsnachfolger (§ 58 S 1 SGB 1 iVm §§ 1922ff BGB) zu begründen.

2. Die Möglichkeit des Wiederaufgreifens der bestandskräftigen Ablehnungsentscheidung im Erfolgsfall mit Überprüfung im Zugunstenverfahren nach § 44 Abs 1 S 1 SGB 10 steht einem Erlöschen etwaiger Ansprüche auf Geldleistungen nach § 59 S 2 SGB 1 nicht entgegen, da § 59 S 2 SGB 1 die Rechtsnachfolger nur zur Fortsetzung eines in diesem Zeitpunkt anhängigen (Leistungs-)Verfahrens (hier: anhängiges Verfahren lediglich auf Feststellung einer Berufskrankheit) und zur Entgegennahme festgestellter Leistungen ermächtigt. Zur Initiierung eines Korrekturverfahrens berechtigt das Gesetz weder Sonderrechtsnachfolger noch Erben.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.03.2021; Aktenzeichen B 2 U 17/19 R)

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger/-innen zu 1 bis 5 tragen die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner/-innen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger/-innen sind die Witwe und Kinder des während des Klageverfahrens verstorbenen AS (im Folgenden: AS) und begehren als dessen Gesamtrechtsnachfolger/-innen die Feststellung, dass dieser an einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (Durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder des Pericards) litt.

Der 1960 geborene AS wuchs in Y. in der türkischen Provinz S. auf und übersiedelte 1981 von dort nach Deutschland. Hier war er von Mai 1983 bis Februar 1989 bei der CQ GmbH (im Folgenden: CQ) beschäftigt (Gartenbau, Pflasterarbeiten, Bäume fällen, Rasenmähen etc.), verrichtete von März 1989 bis Juli 2004 bei der eine Werft betreibenden S. GmbH und Co. KG (im Folgenden: S.), einem Mitgliedsunternehmen der Beigeladenen, Maler- und Sandstrahlarbeiten im Schiffsbau. Nach vorübergehender, knapp zweijähriger Arbeitslosigkeit war AS dann ab Mai 2006 bei der zum Konzern K1 gehörenden X. GmbH (früher: X.), einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten, als Facharbeiter für Oberflächentechnik im Bereich Strahlarbeiten, Korrosionsschutz, Abkleben, Schleifen, Sicherungspost, Laminierarbeiten beschäftigt.

Im Juni 2015 erstattete Dr. Fu. vom A. Klinikum eine ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine BK 4105, nachdem dort der hochgradige Verdacht auf das Vorliegen eines malignen epitheloiden Mesothelioms diagnostiziert worden war. AS sei als Maler und Lackierer einer Asbestexposition ausgesetzt gewesen, unter anderem habe er Sandstrahlarbeiten an asbestisolierten Rohren durchgeführt. Die Verdachtsdiagnose bestätigte sich im Rahmen einer stationären Behandlung mit Operation noch im selben Monat.

Die Beklagte nahm daraufhin Ermittlungen bei den - auch früheren - Arbeitgeberinnen des AS auf und befragte diese zunächst schriftlich. Die CQ gab an, dass AS dort nicht mit Asbest in Berührung gekommen sein könne, weil das Unternehmen keinerlei Arbeiten mit Asbest durchführe. Die S. erklärte, dass AS dort keinen asbesthaltigen Stäuben ausgesetzt gewesen sei. Die X. schließlich verneinte ebenfalls die Möglichkeit eines Asbestkontakts des AS während der dortigen Beschäftigung.

Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 24. September 2015 fest, dass bei AS keine BK 4105 und auch keine Ansprüche auf Leistungen bestünden. Eine Asbestbelastung lasse sich nicht im Vollbeweis sichern. In einem internen Vermerk hatte sie festgehalten, dass es in der Region, in der AS aufgewachsen war, natürliche Asbestvorkommen im Erdboden gebe und bei der dort lebenden Bevölkerung hohe Inzidenzen an Lungen- und Pleuraveränderungen beobachtet worden seien. Darüber hinaus seien kürzere Latenzzeiten als 20 bis 40 Jahre, im Mittel 36,1 Jahre, bei der BK 4105 nach der unfallmedizinischen Standardliteratur (Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit) kritisch zu bewerten. Auch dieses Kriterium spreche eher für einen Asbestkontakt in der Türkei als am Arbeitsplatz.

Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch vom 1. Oktober 2015 verwies AS auf seine Angaben gegenüber dem Oberarzt des A. Kliniku...

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